101. Das Bergviertel im Krieg
In den kommenden Tagen gedenkt Europa des Endes des 1. Weltkriegs vor 100 Jahren. Wie sah es während dieses Krieges im Bergviertel aus? Hier einige Berichte und Fotos aus dieser Zeit...
1. Weltkrieg
1909 hatte man auf der Judenstraße aus kräftigen Holzbalken einen Aussichtsturm errichtet. In den Kriegsjahren 1914/18 war er für die Zivilbevölkerung gesperrt, da er militärischen Zwecken nutzbar gemacht und als Ausguckposten bezogen wurde. Vereinzelt war jedoch von hier aus ein Blick in „Feindesland“ vergönnt. In einer Notiz heißt es: „Gegen Abend machte ich mit zwei Freunden einen Spaziergang. Wir kamen zum Aussichtsturm auf der Judenstraße, den wir bestiegen. Und sahen wir von dort oben aus in Richtung auf Lüttich ganz deutlich in der Abenddämmerung das Aufblitzen der Kanonenschüsse. Etwa fünf Sekunden nach dem Blitz vernahm man einen dumpfen Knall. Es war das Bombardement der äußeren Forts von Lüttich“.
Rotes Kreuz im Einsatz
Nach dem deutschen Überfall auf Belgien war Eupen für kurze Zeit Frontstadt. Die Eupener Kirchen wurden kurzfristig zu Gefangenenlagern. Der Abtransport der Gefangenen bot den Bürgern der Stadt ein nie gesehenes Schauspiel. Ein Augenzeuge berichtet: „Es waren Soldaten verschiedener Waffengattungen. Vor dem Rathaus wurde haltgemacht, und die zahlreichen Gefangenen wurden in verschiedene Gruppen eingeteilt und für die Nacht in den Kirchen der Stadt untergebracht. Hier blieben sie bis zum anderen Morgen, um dann in das Landesinnere weiter geschafft zu werden. Mir gelang es, Zutritt in die Bergkapelle zu erhalten. Gar traurig sah das Bild aus. Die armen müden Gefangenen hockten in den Bänken. Mitleidige Anwohner der Bergkapelle brachten ihnen Brot und Kaffee. Sie hatten nur einen Wunsch, nämlich zu schlafen. Die Gefangenen schliefen sitzend in den Holzbänken; ihre Wächter dagegen ruhten ausgestreckt auf dem Steinboden zwischen ihnen. Außer in der Bergkapelle waren die Gefangenen – im ganzen waren es rund 4.000 – in den beiden Pfarrkirchen, in der Klosterkirche, in der evangelischen Kirche, in der Werthkapelle und auf dem Heidberg untergebracht. Anderntags begann der Abtransport mit der Bahn. Die Kapuzinerkirche wurde als letzte geräumt…“
Kriegsküche in der Borngasse
Die Kriegsküche in der Borngasse versorgte dreimal in der Woche die Familien der Soldaten mit einem kräftigen, schmackhaften Mittagessen. Einige Arbeiterinnen und 13 Schulkinder an der Zahl, die sich mit Kartoffelschälen nützlich gemacht hatten, wurden im ersten Kriegsjahr durch das Christkind beschenkt.
107. Das Bergviertel im Krieg - 2. Weltkrieg
Aus den Tagebuchaufzeichnungen von Anna Schmitz, Lehrerin an der Gemeindeschule von Kettenis und wohnhaft auf der Neustraße 34.
Kriegsbeginn
Freitag, 10. Mai 1940
Ich werde um 4.45 Uhr wach. Starkes Motorengeräusch von Fliegern, die doch eigentlich hier nichts zu suchen haben. Das anhaltend stark Geräusch macht mich so unruhig, dass ich nach einiger Zeit aufstehe. Flieger sind nicht mehr zu sehen, wohl aber die von ihnen herrührenden weißen Rauchfahnen. Es müssen viele Flieger gewesen sein. Meine Schwester Therese hat zehn Flieger gezählt. Jetzt sehen wir noch 22 nach Osten fliegen.
Die ganze Stadt ist ohne Licht, da wir bisher den Strom aus Bressoux bekommen. Man kann infolgedessen kein Radio hören. Alle Leute kaufen Kerzen. Man konnte nicht telefonieren. Die Kleinbahn fährt nicht, Post wird nicht befördert.
Samstag, 11. Mai
Ich schlafe bis gegen zwei Uhr. Dann wache ich auf durch andauernd starken Geschützdonner. Bei jedem Schuss blitzt es auf. Man hört deutlich Abschuss und Einschlag. Ich bin sehr aufgeregt und beunruhigt und zittere am ganzen Körper. An Schlafen ist nicht mehr zu denken.
In großer Sorge sind alle Eupener um die im belgischen Heer stehenden Eupener Jungen. Jede Verbindung mit ihnen ist natürlich unterbrochen.
Pfingstsonntag, 12. Mai
Die Nacht war noch schlimmer als die vorige. Ohne Unterbrechung erfolgen Schüsse. Man meint, die Einschläge seien sehr nahe. Die Fenster klirren, und das Haus bebt. Wir sind immer noch ohne Strom. Aus Herbesthal und Welkenraedt kommen Flüchtlinge nach Eupen.
Freitag, 17. Mai
Auf der Straße ziehen Truppen durch. Es müssen viele sein. Mittags kommen zwei Offiziere Quartier machen. In meinem Zimmer sollen zwei Mann schlafen. Im Keller alles zurechtmachen für Fliegeralarm.
Samstag, 18. Mai
Da unsere Einquartierung Telefondienst hat im Kolpinghaus, muss das Essen für 11.30 Uhr fertig sein. Ununterbrochen fahren Autos durch, alle zur Luftwaffe gehörig. Fallschirmabspringen, Flakgeschütze, riesige Lastautos mit Benzin, Traktoren mit zwei Anhängern.
Sonntag, 19. Mai
Es ziehen Truppen durch. Wir schenken Bier und Kaffee aus. Mittagsrast auf der Straße. Essensausgaben, Futterausgaben. Es ist sehr heiß. Die Soldaten sitzen auf den Treppenstufen der Häuser. Alle Anwohner sorgen für sie. Abends hören wir durch das Radio, dass unsere Kreise an das Großdeutsche Reich angeschlossen sind.
Mittwoch, 22. Mai
Fliegergeräusch und Flakbeschuss in der Nacht. Weiterer Truppendurchmarsch. Nachmittags Großkundgebung auf dem Sportfeld.
Samstag, 25. Mai
Es ziehen noch vereinzelt Truppen durch. Hier und da hört man von zurückgekehrten Eupener Soldaten. Wir müssen den Luftschutzkeller einrichten. Im Kapitol sind Luftschutzvorträge.
Samstag, 8. Juni
Unser Geld wird 10:1 umgerechnet. Wir werden alle arm. Nirgendwo bekommt man Kaffee oder Seife. Alle Geschäfte sind leergekauft. Wenn es irgendwo Gemüse gibt, stehen die Leute Schlange. Alles ist sehr teuer.
Einzug der Alliierten
Freitag, 1. September 1944
Viermal Voralarm im Lauf des Vormittags. Den ganzen Nachmittag Detonationen, näher und weiter.
Sonntag, 3. September
Flüchtlinge aus Belgien kommen durch. Die Straße voller Militärwagen. In der Lehrerbildungsanstalt im Kloster Garnstock Lazarett, auch im Genesungsheim (Sanatorium).
Montag, 11. September
Nacht sehr unruhig, von 10.30 bis 3 Uhr dauernd stärkere und schwächere Detonationen. Um 5.30 Uhr die ganze Straße voller deutscher Militärwagen. Um 12 Uhr rufen sich die Leute zu, dass die Amerikaner oben um die Ecke kommen. Von der Moorenhöhe waren die US-Soldaten noch von einem Heckenschützen beschossen worden. Ein Rennen auf der Straße, viele stehen in den Haustüren. Ein deutscher Panzer kommt um oben um die Ecke und fährt die Straße hinunter. Dann kommt er wieder herauf und nimmt am Rotenberg Aufstellung. Die Soldaten steigen aus. Aus ihren Zurufen habe ich gehört, dass sie auf die Spitze der Amerikaner warten. Dann fährt der Wagen bis an die untere Ecke. Es fahren Panzer die Straße hinunter. Wir sehen vom Fenster aus den Einzug an. Plötzlich brennt es auch auf dem Markt. Der letzte deutsche Panzer hat von dort auf den ersten amerikanischen geschossen, als er auf den Bach einbog.
Um 18 Uhr höre ich, dass in Eynatten Widerstand geleistet wird. Um 19 Uhr Einschläge in nächster Nähe. Wir laufen zum Keller, da erfolgt ein Einschlag in unserer Straße, vor der Tür der Sparkasse. Gegenüber liegen drei Menschen auf dem Trottoir: Vater, Tochter, Sohn. Der Junge ist tot, der Vater am Kopf verletzt, auch die Tochter verletzt. Frankens Haus hat Beschädigungen an der Mauer. Auch die Nachbarhäuser: Laschet, Kirfel, Fuß, Krankenkasse (Allgemeine Ortskrankenkasse, Neustraße 38), Holler (Der aus Krefeld gebürtige Kunstmaler Alfred Holler, Neustraße 44), Philipps. Die Getroffenen sind bei Franken.
Mittwoch, 13. September
Unsere Straße heißt wieder Neustraße (Nach der Eingliederung Eupens in das Deutsche Reich waren die Neustraße und die untere Bergstraße 1940 in Adolf-Hitler-Straße umbenannt worden. Noch kein Strom. Noch ohne Fensterscheiben, kein Gas.
Ardennenoffensive
Freitag, 6. Oktober
Schießen während der ganzen Nacht. Nach Mittag kommen etwa 50 Panzer, leichtere und schwere, die Neustraße herauf. Zu gleicher Zeit ununterbrochen Flieger in der Luft. Radio England meldet Panzerschlacht bei Monschau. Dauernd Detonationen.
Samstag, 16. Dezember
Einschläge obere Neustraße hinter Baltus. Dann im Werth, Rotenberg gegenüber Waisenhaus, Kammgarnwerk, Metzger Köttgen, Kirchplatz Unterstadt.
Sonntag, 17. Dezember
Ruhige Nacht bis 3.15 Uhr. Dann schwache Detonationen. Plötzlich hellrotes Licht. Am Himmel über Bergkapellstraße Leuchtzeichen, rote und weiße. Immer neue. Tiefflieger und Maschinengewehrgeknatter. Gegen 5.30 Uhr ruhig. Ich schlafe bis 8.30 Uhr. Um 9.15 Uhr zum Hochamt. Werde an Ecke Neustraße von belgischen Gendarmen angehalten und zurück geschickt. Alles von der Straße. Lautsprecher: Niemand darf Eupen verlassen und niemand in die Stadt hinein. In der Nacht sind deutsche Fallschirmjäger abgesprungen.
Montag, 18. Dezember
Um 0.30 Uhr nachts Maschinengewehrgeknatter, Bordwaffen, Flak, Tiefflieger, Leuchtkugeln am Himmel, furchtbares Getöse, Splitterregen aufs Dach. Zum ersten Mal seit September Sirene. In den Keller. Furchtbare Krache, Fensterklirren. Einmal meint man, das Haus stürze ein.
Leichtere Fensterschäden in Neustraße und Bergstraße. Es sieht sehr nach Krieg aus. Leute fürchten Evakuierung.
Dienstag, 19. Dezember
Die ganze Nacht hindurch hat eine Artilleriebatterie geschossen, dass das Haus bebte und die Fenster klirrten. Sie steht etwa ein Kilometer von hier auf dem Drüggenborn (Gutshof im oberen Binstert).
Donnerstag, 21. Dezember
In der Nacht erfolgten Einschläge im Stockbergerweg, Kaperberg, Stendrich, Spitalwiese. Abschüssen sollen von deutschen Panzern kommen.
Sonntag, 24. Dezember
Heiliger Abend. Um 15.45 Uhr Adventsfeier und Christmette. Zwischendurch, gerade bei Predigt, heftiges Flakschießen. Fast alle Leute in der Kirche, auch Männer, weinen. Am Heiligabend 1944 wurde
das Bergviertel von amerikanischen Kampfeinheiten durchquert. So sah man eine unendlich lange Panzerkolonne von der Judenstraße herkommen, um In den Olengraben einzubiegen. Von allen Seiten, von
der Neustraße. Vom Rotenberg und vom Olengraben her kamen Lastwaqenkolonnen, und es schien zu einem unentwirrbaren Knäuel zu kommen. Doch sofort stellten die die Einheiten begleitenden M.P. sich
auf, es waren Ihrer 8, lenkten die Kolonnen, die von der Judenstraße her zur Front wollten und anscheinend das Vorfahrrecht hatten, um die frühere Pferdetränke zum Oiengraben. Im Augenblick war
alles in bester Ordnung.
Einige Zeit später warf ein deutscher Flieger eine Bombe mitten im Kreuzungspunkt Judenstraße-Bergkapellstraße-Haasberg, und eine weitere hart am Giebel der gegenüber der Kapelle liegenden
Häuser, ohne dass Menschen zu Schaden kamen.
Montag, 25. Dezember
Weihnachten. Die ganze Nacht hat es geschossen. Mittags Bescherung. Deutsche Flieger schießen mit Bordwaffen in der Mittagszeit. Zum Keller. Der Strom setzt aus. Der Schlamm der letzten Tage ist durch ziemlich starken Frost in Staub verwandelt worden. Starker Verkehr. Dauernde Staubwolke haushoch, dicht, dass man die Leute auf der Straße nicht sieht. Staub dringt durch alle Fugen, man schmeckt ihn.
Dienstag, 26. Dezember
Zur Zeit der Rundstedtoffensive am zweiten Weihnachtstag 1944, gegen 15.20 Uhr, während der Vesper zum 40-stündigen Gebet in St. Josef, warf ein deutsches Flugzeug auf die von Amerikanern besetzte Stadt mehrere Bomben ab, davon eine auf das Gelände der ehemaligen Tuchfabrik Leonard Peters, unweit der Pfarrkirche, die andere auf die Straßenkreuzung Judenstraße-Bergkapellstraße, Haasberg. Hier gab es einige Verwundete. Durch den Luftdruck wurde die Kapelle stark in Mitleidenschaft gezogen, u.a. wurden alle Kirchenfenster zerstört.
Mittwoch, 27. Dezember
Ganze Nacht Artillerieabschüsse mit Blitz, starker Detonation und Rollen. Unmöglich zu schlafen. Auch tagsüber Abschüsse. Plötzlich, um 18 Uhr, furchtbarer Krach, das Licht schwankt, bleibt aber, Scheiben klirren. Zum Keller. Stille.
Donnerstag, 28. Dezember
Auf dem Weg zur Messe sehen wir die Verheerungen der Bombe von gestern Abend. Viele Scheiben zertrümmert auf unserer Straßenseite, auch bei Theß-Paulus, Gerono. Gegenseite hat auf der Rückfront alle Scheiben zertrümmert, auch Dächer. Drei Bomben (deutsche Flieger) in Spitalwiese gefallen.
Kriegsende
Mittwoch, 17. Januar
Erste Nacht ohne Schießen. Bis vor acht Tagen hat es jede Nacht furchtbar geschossen, dass das Haus bebte und die Fenster klirrten. Dann wurde es langsam ruhiger. Ende voriger Woche eine Nacht lang Trommelfeuer, es heißt, dass die Amerikaner eine Offensive begonnen haben.
Montag, 22. Januar
Bergstraße, Neustraße, Rotenberg für allen Verkehr gesperrt. In jedem Haus Nachsuchung nach Uniformen, Waffen, Büchern, amerikanischen Lebensmitteln.
Donnerstag, 22. Februar
Die letzten 14 Tage ziemlich ruhig. Durch den ununterbrochenen, ungeheuren Nachschub sind alle Landstraßen kaputt gegangen. Asphalt zerbröckelt, große und tiefe Löcher. Notdürftig geflickt. Nebenstraßen benutzt, die auch ganz unbrauchbar geworden sind. Die im Jünglingshaus untergebrachten Mützenicher (In den Tagen vor Weihnachten 1944 waren zahlreiche Mützenicher nach Eupen geflüchtet, weil ihre Häuser ständig unter Beschuss lagen und zum Teil schwer beschädigt waren) sind stundenweise auf der Wiese Looten. Haben sehr viel Hunger.
Montag, 7. Mai
Bittprozession nach Stockem. Warmes und sonniges Wetter. Immer mehr Fahnen. Nachmittags um 2.45 Uhr endgültige Kapitulation. Kriegsende. Leute stehen Schlange um Papierfähnchen zu kaufen. Überall wird geziert.
Dienstag, 8. und Mittwoch, 9. Mai
Bittprozessionen nach Bergkapelle und Werthkapelle.
160. Bombe auf das Bergviertel
In unserer Reihe „Geschichte(n) aus dem Bergviertel“ berichteten wir bereits darüber, dass am 2. Weihnachtstag 1944 im Rahmen der Rundstedtoffensive ein Bombenabwurf den Platz an der Bergkapelle traf. Dabei waren nicht nur einige Verwundete zu beklagen, sondern auch ein ziviles Todesopfer, der fünfjährige Junge Alfred Julius Gérard, Sohn der Eheleute Julien Joseph Gérard und dessen Ehefrau Gertrud Johanna Croe.
Laut Sterbeurkunde verstarb Alfred Gérard in Eupen, Kehrweg am 26.12.1944 um 16:45 Uhr. Die Zeitungen nach dem Kriege erschienen erst wieder 1945 so dass wir hier nicht den Unfallhergang ermitteln konnten. Da die belgische Sterbeurkunde leider keine Todesursache erwähnen darf, der Tod aber durch den Hilfsfeldhüter Hubert Comuth gemeldet wurde, jedoch kein Wohnsitz angegeben wurde, wurde zahlreiche Senioren im Bereich Kehrweg bis hin zur Unterstadt befragt. Die Witwe Paul Ludwigs, Anna Heins, welche Ende des Krieges 1944 auf der Bergkapelle wohnte, erzählte, dass dort ein kleiner Junge einer Familie Gérard durch Kriegsgeschehen tot geblieben sei. Mit Hilfe der Zeitzeugen Anneliese Kück, Bergkapellstraße 58 sowie Jos. Gustel Cloot, Bergstraße 160, sowie Willy Rotheudt konnte man noch präzise Angaben erhalten.
An der Gabelung der Bergkapelle/Bergstraße hatte die Deutsche Wehrmacht ein etwa 6 x 4 x 3 Meter großes Wasserbecken errichten lassen, um einen Vorrat für Lösch-Notfälle zu haben. Auf dem gefrorenen Wasser spielten im eiskalten Winter am 26.12.1944 nachmittags, alle Kinder der umliegenden Häuser, nämlich Alfred Gérard (Nr. 54) am Toreingang „Aunder gen Löüv/Leuff“, Franzi und Willy Mattar (Nr. 56), Joseph und Heinz Despineux (Nr. 54), Joseph und Heinrich Mennessaire, Berni Cloot und einige andere, als eine Deutsche Fliegerbombe in der Kreuzung der Bergkapelle-Haasberg-Judenstraße-Bergstraße explodierte und rundum ungeheure Verwüstung anrichtete. Mehrere Kinder wurden leicht verletzt, wogegen Alfred Gérard am Unterleib schwer verwundet wurde und Blut verlor. Seine kleine Mutter Johanna Gérard-Croe beweinte das sterbende Kind auf ihren Armen, bevor es durch amerikanische Soldaten ins Lazarett zum Sanatorium im Kehrweg gebracht wurde, wo Alfred dann verstorben ist.
168. Schmuggler im Bergviertel!
Zu Kriegs- und Krisenzeiten blühte im Grenzgebiet das Schmugglerwesen. Vor rund hundert Jahren führte der Grenzverlauf dazu, dass zahlreiche Schmuggler vom Bergviertel (Te Baaten) zu ihrer gefährlichen Tour aufbrachen. Über diese abenteuerlichen Zeiten berichten die beiden Artikel hier unten...
198. Der 11. September 1944
Am 11. September 1944 rückten amerikanische Truppen über die Unterstadt und das Bergviertel nach Nordosten vor, weiter Richtung Raeren, Eynatten und Roetgen. Nur fünf Jahre nach dem besagten
Datum blickte das Grenz-Echo auf die Tage der Befreiung zurück...
280. Straßennamen im 2. Weltkrieg
Am 19. August 1940 beschloss der Eupener Stadtrat bei seiner ersten Sitzung nach dem Einzug der deutschen Truppen am 10. Mai eine Umbenennung einiger Straßen im Eupener Stadtgebiet. Neben der Hufengasse und der Vervierser Straße waren davon auch die untere Bergstraße und die Neustraße betroffen, die zur Adolf-Hitler-Straße wurden, sowie der Rotenbergplatz, der in Horst-Wessel-Platz umgewandelt wurde.
284. Das Bergviertel im 1. Weltkrieg
1914: Seit 99 Jahren gehört Eupen aufgrund des Beschlusses, den die Beteiligten am Wiener Kongress einmal fassten, zum Königreich Preußen und ab 1871 mit diesem zusammen zum damals gegründeten Deutschen Reich.
In der Zeit nach 1850 hatten sich eine Reihe von Vereinen gebildet, so dass Eupen im Jahr 1914 zehn Männergesangsvereine und einen Frauenchor, vier Musikvereine und elf Sportvereine zählte. Daneben gab es vier Schützenvereine. Hinzu kamen noch einige gesellige Vereine und Klubs, die ihre wesentliche Aufgabe in der Vorbereitung und dem Feiern des Karnevals fanden, der aber auch von den bereits erwähnten Vereinen kräftig mitgefeiert wurde und sich vor allem nach der Jahrhundertwende kräftig entwickelte, bis er im Jahre 1914 einen nie gekannten Höhepunkt erreichte (Abb. 1). Der Jünglings- und der Gesellenverein verbreiteten in ihren Sälen karnevalistische Stimmung, dort allerdings ohne Tanz. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass es immerhin 14 Jahre bis zum nächsten Rosenmontagszug dauern würde. Prinz Karneval (von dem man in Eupen noch viele Jahre begeistert sprach) war der langjährige Betriebsdirektor der Gerberei und Lederverarbeitung Peltzer & Cie in der Oe, Wilhelm Waes (Abb. 2), der sich inzwischen als selbständiger Berater und Kaufmann im Hause Bergstraße 18 niedergelassen hatte.
Zum Zeitpunkt des Kriegsausbruchs war der Stadtrat bei den Vorbreitungen zum Bau eines neuen Realgymnasiums an der Bergkapellstraße und hatte dafür einen Wettbewerb ausgeschrieben zu dem 75 Bewerbungen eingereicht wurden. Den 1. Preis erhielt der Architekt Otto Silberberg aus Barmen für seinen Entwurf „Sonnige Lage“.
Am Samstag, dem 8. August, hatten die einmarschierenden Soldaten an den Bauernhöfen des Weilers Overoth offenbar Schüsse gehört und gingen ohne Zögern zum Angriff gegen den Weiler vor. Sie erschossen mehrere Anwohner und setzen danach die Höfe des Weilers in Brand. Vom Aussichtsturm an der Judenstraße verfolgten Eupener das Schießen und die anschließenden Brände (Abb. 3).
Am 18. August machte die Nachricht die Runde, dass der Feind (die Belgier) sich mit 5000 Mann in Jalhay gesammelt hatte. Die Grenze, dem Hertogenwalde zu, wird wieder stark besetzt mit Truppen aus Aachen und Herbesthal, die die Eupener Garnison verstärken sollen. Aus einem Augenzeugenbericht: „… der Feind ist gemeldet aus der Gegend von Jalhay. Also zur Moorenhöhe. Dort musste man doch etwas gewahr werden. Als ich dort ankam, fand ich schon etwa 20 andere beherzte Männer vor. Der Blick von da oben war wundervoll! Der Vollmond stand am Himmel und beleuchtete fast taghell die schöne Gegend. Wie von Silber übergossen lag die Unterstadt da. Wo war der Feind? Wann kam der erste Schuss? Nachdem ich eine Stunde gewartet hatte, ging ich wieder nach Hause und mit mir auch die anderen Männer. Und was war es mit dem Gerücht, der Unruhe und dem Alarm gewesen? Schwindel! Überängstliche Gemüter und überreizte Köpfe hatten es fertig gebracht, eine ruhige Stadt konfus zu machen. Der Bürgermeister von Membach hatte den Einwohnern den Rat gegeben, Brennholz für den Winterbedarf zu besorgen. Offenbar konnt nicht jeder schallende Axtschläge von Schüssen unterscheiden.“
Nun beginnen überall die Klagen über die steigenden Fleischpreise. Gleichzeitig bittet man um Spenden für die Errichtung von Kriegsküchen (Abb. 4) für die Ernährung der Angehörigen von im Feld stehenden Soldaten. Die Landsturmkompanie, bisher in Privatquartieren untergebracht, soll nun zusammen in das leerstehende Fabrikgebäude von Hendrichs (Auf‘m Rain) verlegt werden, beschließt der Stadtrat (Abb. 5). Zahlreiche verwundete Soldaten müssen untergebracht werden. Die „Deutsche Gesellschaft für Kaufmanns-Erholungsheime“ will ein Erholungsheim für etwa 100 Insassen in Eupen errichten, in dem vorläufig Kriegsversehrte aufgenommen werden sollen. Der Stadtrat beschließt, dafür ein Grundstück (am Kehrweg) unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Die Arbeiten beginnen (trotz des Krieges) bereits am 2. September 1915 (Abb. 6).
Im Jahre 1916 sind die Zeiten schlecht in Eupen. Aber das benachbarte Belgien erhält, im Einverständnis mit der deutschen Obrigkeit, bedeutende Lebensmittellieferungen aus Amerika, so bedeutend, dass dort beinahe ein Überfluss herrscht. Das Schmugglergeschäft blüht. Der Winter meldet sich mit schweren Regengüssen, so dass vom 29. Dezember 1916 bis zum 1. Januar 1917 die untere Gospertstraße, die Klötzerbahn und die untere Bergstraße unter Wasser stehen (Abb. 7).
Wegen Mangels an Heizmaterial werden die Volksschulen im Februar geschlossen. Wegen einer starken Erhöhung der Kohlepreise werden auch die Gaspreise erhöht. Der Stadtrat hält auch ein „unnützes“ Brennen von Gaslaternen für unzweckmäßig und beschließt, nur noch die an den Kreuzungen angebrachten Laternen brennen zu lassen.
In der Nacht zum 19. Februar 1918 ziehen fünf ältere Eupener Weber auf leisen Sohlen durch die „Düster Gatz“ über den „Loussack“ nach Membach, erwerben dort ein ziemliches Quantum Speck und machen sich dann auf den Heimweg. Hier werden sie von zwei Landstürmern entdeckt (Abb. 8). Nach einem Warnschuss gibt einer der zwei Posten einen gezielten Schuss ab und trifft den letzten und ältesten der Gruppe, Jakob Hennen, tödlich. Entsetzen in ganz Eupen! Aufgebrachte Eupener ziehen vor die Kaserne des Landsturms Auf‘m Rain. Worte wie „Lump“, „Mörder“, „Verbrecher“ hört man. Einige Monate später setzen die Begleiter des Erschossenen ein Gedenkkreuz an die Unglücksstätte (Abb. 9).
Regelmäßig erscheinen Bekanntmachungen über das Verhalten bei Fliegeralarm, den die Eupener offensichtlich nicht sehr ernst nehmen. So laufen sie beim Ertönen der Sirenen nach draußen und schauen in die Luft. Glücklicherweise gibt es bis zum Ende des Krieges keinen Fliegerangriff auf Eupen. Am 11.11.1918 lautet die Schlagzeile: „Abdankung des Kaisers und des Kronprinzen – Ebert Reichskanzler – Waffenstillstandsbedingungen angenommen“ (Abb. 10+11)
Die Republik wird ausgerufen. Wie überall im Reich wird auch in Eupen ein „Arbeiter- und Soldatenrat“ gebildet. Dazu laden die Initiatoren die Eupener Bürger, Männer und Frauen (!) bereits am 10. November zu einer Informationsversammlung im großen Saal des Jünglingshauses ein (Abb. 12).
In den folgenden Wochen ziehen zahlreiche freigelassene Kriegsgefangene durch Eupen. Dazu der Bericht eines Zeitzeugen: „Gestern sind sehr viele tausende Franzosen hier gewesen und heute morgen wieder abgerückt. Franzosen, Belgier und Engländer konnte man sehen. Die Leute konnten nicht alle untergebracht werden. Mehrere haben dick eingehüllt, auf der Bergstraße zum Beispiel, an den Häusern draußen geschlafen… Schwere Artilleriegeschütze mit 4, 6 und 10 Pferden habe ich heute auf der Neustraße gesehen.“ (Abb. 13)
Am 19. Januar des kommenden Jahres sollen nun in Deutschland die Wahlen zur neuen Nationalversammlung stattfinden. Deshalb findet am Sonntag, dem 29. Dezember im Kolpinghaus eine erste Wahlversammlung des Zentrums statt (Abb. 14+15). Sie ist so gut besucht, dass viele Besucher keinen Sitzplatz finden und in den Gängen und im Vorraum stehend den Vorträgen zuhören müssen. Dort wird eine Resolution verabschiedet, dass die katholischen Männer der Stadt Eupen energischen Einspruch gegen die von der zeitweiligen Berliner Regierung erlassenen ungesetzlichen und das Verhältnis von Staat, bzw. Schule und Kirche umstürzenden Verordnungen erheben, weil sie auf brutaler Willkür beruhen. In Erwägung endlich, dass die Westprovinzen, solange sie von dem ihnen wesensfremden Berlinertum abhängen, in kulturell-kirchlicher Beziehung fortwährender Drangsalierung ausgesetzt sind, spricht sich die Versammlung Eupener Bürger für die unverzügliche Errichtung einer autonomen rheinisch-westfälischen Republik im Verbande des Deutschen Reiches aus und fordert die berufenen Vertreter des Volkes auf, ohne jedes Zaudern die dazu erforderlichen Schritte zu tun.
Am 10. Januar 1920 tritt der Versailler Friedensvertrag in Kraft, und mit ihm beginnt wieder ein neuer Abschnitt in der Geschichte unserer Stadt und ihres Umfeldes.