46. Das Schwesternheim am Rotenberg
In den Archiven ist über die Geschichte der ersten Gebäude des „Werk-en Weeshuys“ von 1710 kein brauchbares Aktenmaterial vorzufinden. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, weshalb in allen bisherigen Veröffentlichungen über die Gründung des Waisenhauses nur der Satz „Pfarrer Henrico kaufte einige alte Häuser am Rotenberg, und rief dort die Anstalt ins Leben“ steht.
Das Eupener Ortsgebiet „Rotenberg-Batenbergh-Te Baten“ mit seinem weitausgedehnten Wiesenland war in der Grundherrschaft des Frambachlehen gelegen. Es dürfte seines ländlichen Charakters wegen eher als ein „Bauernviertel“ zu bezeichnen sein. Wie es dort aussah vermittelt uns am besten der Bericht eines Brandunglücks im Jahre 1825.
Am 12. Oktober dieses Jahres brach in den rothen Berghe gelegenen, mit der Nummer 840, 841, 842 bezeichneten Häusern Feuer aus, welche gänzlich eingeäschert wurden. Alle drei Häuser, oder vielmehr Hütten von Holz und Lehm und mit Stroh gedeckt, wurden von armen Leuten bewohnt und hatten sozusagen keinen Wert; Rettung war unmöglich und bald nach Ausbruch des Feuers stürzten Dächer und Mauern zusammen. Am 17. selbigen Monats wurden in geringer Entfernung von jenen abgebrannten Hütten, mit Nr. 854, 855, 856 bezeichneten Häuser ein Raub der Flammen. Es war die Wahrscheinlichkeit vorhanden, dass der Sohn der Witwe Johann Brossel, die das Haus unter 856 bewohnte, bei welchem man periodische Anfälle von Verrücktheit öfters wahrgenommen hat, eine brennende Lampe in das Strohdach befestigt hat, wodurch dieser Brand ausgebrochen ist.
Bei der Gründung des Waisenhauses in Eupen wurde das Haus seiner Bestimmung gemäß als „Werk-en Weeshuys“ bezeichnet. Das dritte Kapitel des Gründungsreglements legte eine Arbeitsordnung für die Waisenkinder fest, die ihre Beschäftigung vorsah. Die Kinder hatten an Werktagen wenigstens 10 Stunden körperliche, leichte Arbeit zu verrichten. Diese bestand hauptsächlich aus Spinnen und Weben. Aus dem Jahre 1798 ist zu vernehmen, dass die Anstalt noch immer ihr Bestehen dem Verdienst der Kinderarbeit und den sehr geringen, freiwilligen Spenden der Bevölkerung verdankte. Die Einrichtung verlor ihren Charakter als Arbeitsanstalt erst mit dem Beginn des Wirkens der barmherzigen Schwestern vom hl. Karl Borromäus ab dem Jahre 1847, bis sie schließlich nur noch eine Erziehungs- und Wohltätigkeitseinrichtung war.
47. Das Schwesternheim am Rotenberg – Teil 2
In den 1730er Jahren hatte Provisor Thys an der Straße einen dreistöckigen Bau errichten lassen. Doch bereits 1748 entstand ein neuer Bau, dessen Fassade heute noch zu sehen ist. In diesem Bau befanden sich zunächst die Schlaf- und Arbeitsräume der Waisenkinder; nach 1847 die Unterkünfte der Schwestern vom hl. Karl Borromäus, was dazu führte ihn als Schwesternheim zu bezeichnen.
Dieser Bau wurde am 11. Oktober 1950 von der Denkmalschutzkommission wegen seiner Fassade als Kulturgut klassiert und ist deshalb dem Abbruch der alten Gebäude im Jahre 1973 entgangen. Allerdings sollte ursprünglich das ganze Gebäude erhalten bleiben; jedoch zog sich der Beginn der Restaurierungsarbeiten derart lange hinaus, dass wegen der schadhaften Dächer und Fenster das Hausinnere jeder Witterung ausgesetzt war, verfiel und durch einen neuen Innenbau ersetzt wurde. So blieb lediglich die Fassade erhalten, die 1990/91 restauriert wurde und trotz einiger Mängel als ein Prunkstück im Eupener Stadtbild anzusehen ist. Alle Eupener Heimatgeschichtsbücher schreiben die Planung und Erbauung dieses Bauwerkes von 1748 dem großen Aachener Baumeister Laurenz Mefferdatis (1677-1748) zu. Dieser geniale Architekt, der auch für den Bau der Eupener St. Nikolaus Pfarrkirche (1724-25) verantwortlich zeichnete und zahlreiche andere Bauten im Eupener Land schuf (Rehrmann-Fey-Haus Kaperberg, Raerener Pfarrkirche usw.), war hier kein Unbekannter.
Als man in Eupen 1973 damit begann, die alten Gebäude an der Straße abzubrechen und das Schwesternheim stehen ließ, wurden Stimmen laut, auch diesen Bau abzubrechen, da er die Sicht auf das und vom neuen „Alten und Pflegeheim“ beeinträchtige. Dieser schöne Bau führte leider jahrhundertelang ein „Hinterhofdasein“. Heute ist nun der Bau mit seiner Fassade in den Vordergrund gerückt und bildet ein sehenswertes, schönes Bild bei der Straßenansicht.
172. Heimatmuseum im Schwesternheim
Rund zehn Jahre vor der Standortfrage eines künftigen Eupener Kulturhauses beschäftigte sich der Stadtrat mit der Wiedergründung eines Eupener Heimatmuseums. Dafür wurden die Augen auf das alte Waisenhaus am Rotenberg gerichtet, welches zum damaligen Zeitpunkt einer neuen Zweckbestimmung zugeführt werden sollte...
174. Die fleißigen Kinder des Waisenhauses
Der Ursprung des Eupener St. Josephsheims geht laut E. Rutsch und Heinens Pfarrgeschichte auf eine „Horordinanz“ des Kaisers Karl VI. Vom 17. Juli 1710 zurück, derzufolge auf Antrag des derzeitigen Pastors und einer Anzahl anderer Herren aus Eupen gestattet wurde, in Eupen ein Waisen- und Arbeitshaus zu gründen. Für Unterricht und allgemeine Erziehung der Kinder war weniger gesorgt, viel aber für die christliche Erziehung. Ein durch das Tribunal in Henri-Chapelle am 7. März 1711 in niederländischer Sprache ausgefertigtes Reglement enthält die Bestimmungen über die Gründung, Unterhalt und Verwaltung des Waisen- und Arbeitshauses.
In diesem Reglement heißt es: Die aufzunehmenden Kinder müssen wenigstens sieben Jahre alt sein und dürfen bis zum 17., Mädchen bis zum 18. und 19. Lebensjahr im Haus bleiben.
Das 3. Kapitel des Reglements gibt Bestimmungen über das Verhalten der Kinder während der Arbeitszeit, wie an Sonn- und Festtagen. Sie haben im Winter um 6, im Sommer um 5 Uhr aufzustehen, nach dem Gebet zur Arbeit zu gehen, um 8 Uhr zu frühstücken, sind dabei eine Stunde von der Arbeit frei; um 11 oder 12 Uhr sollen sie Mittagsmahl halten, hierab eine halbe Stunde zusammen spielen, dann wieder zur Arbeit gehen. Um 4 Uhr sollen sie ein Stück Brot und einen Trunk erhalten und eine halbe Stunde ihre Aufgaben lernen; um 7 Uhr das Abendbrot genießen und nach demselben im Sommer bis ein viertel vor, im Winter bis 9 Uhr arbeiten, danach ihr Gebet verrichten und zur Ruhe gehen. Die Strafen für Unarten sind angegeben: statt Mahlzeiten trockenes Brot und Wasser, Entziehung von Fleisch, Stillschweigen. Gebet statt Spielen.
Man sieht, dass der Aufenthalt in einem Waisenhaus zur damaligen Zeit nicht gerade eine erfreuliche Angelegenheit war. Die Kinder hatten an Werktagen wenigstens zehn Stunden körperliche, leichte Arbeit zu verrichten. Diese Arbeit bestand hauptsächlich aus Spinnen und Weben. Aus dem Jahr 1798 ist zu entnehmen, dass die Anstalt noch immer ihr Bestehen dem Verdienst der Kinderarbeit und den geringen, freiwilligen Spenden der Bevölkerung verdankte. Die wirtschaftliche Lage der Anstalt war lange Zeit schlecht, bis nach größeren Schenkungen wohlhabender und wohlgesinnter Bürger der Bestand des Eupener Waisenhauses gesichert war.
Aus Arbeitsanstalt wurde Wohltätigkeitsanstalt. 1825 wurde mit dem Waisenhaus die Versorgungsanstalt für Frauen und Männer verbunden. Seit 1842 unterstanden Waisenhaus und Versorgungsanstalt der Stadt. 1847 vertraute diese die beiden Anstalten den barmherzigen Schwestern vom hl. Karl Borromäus an. Aus einer Arbeitsanstalt wurde nun eine Erziehungs- und Wohltätigkeitsanstalt. Mit der besseren Einrichtung wuchs auch die Sympathie der Bevölkerung. Reiche Schenkungen flossen beiden Anstalten zu. Im Lauf der Zeit wurden mehrfach neue Gebäude errichtet. Die eigentlichen Baulichkeiten des Waisenhauses wurden mit dem Ertrag einer Verlosung und Unterstützung der Einwohner 1748 nach den Plänen des Aachener Architekten Laurenz Mefferdatis errichtet.
Erst seit dem Jahr 1888 erhielten die Heimkinder in der Anstalt regelmäßigen Schulunterricht, wurden aber später den städtischen Volksschulen überwiesen. Eingerichtet wurden ferner eine Nähschule, eine Haushaltsschule, eine Industrieschule, um Fabrikarbeiterinnen hausfrauliche Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln. So entwickelte sich die Anstalt nach und nach zu dem St. Josephsheim, wie wir es heute kennen.
192. Abriss des Schwesternheims am Rotenberg
Bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde auf der Anhöhe des Rotenberg der Komplex des Waisenhauses errichtet. Anfang August 1973 rollte der Bagger an, um den größten Teil der Bauten niederzureißen. Lediglich die Fassade des alten Schwesternheims zeugt heute noch von der Geschichte an diesem Ort...
287. Die Verpflegung in der Eupener Versorgungsanstalt
Der Entschluss, in Eupen eine Versorgungsanstalt für alte, hilflose Menschen zu schaffen, wurde 1824 gefasst. Sie wurde, nach erfolgter Instandsetzung verschiedener Räume im 1710 gegründeten „Werk- en Weeshuys“ und unter Hinzunahme des Umbaus einer alten Scheune, am 6. April 1825 als Privatanstalt eröffnet. Bevor im Jahr 1847 die Ordenskongregation der Barmherzigen Schwestern vom hl. Karl Borromäus den Dienst und die Verwaltung im Waisenhaus und in der Versorgungsanstalt übernahmen, wachte die Eupener Armenverwaltung über die Geschicke der zu jener Zeit von „weltlichen Jungfrauen“ betreuten Schützlinge beider Sozialeinrichtungen.
Die Beköstigung wird wie folgt beschrieben: morgens erhalten die alten Leute Kaffee mit Butterbrot, mittags Suppe und Gemüse, sowie zweimal in der Woche Fleisch, nachmittags um 3 Uhr Kaffee mit Butterbrot, abends um 7 Uhr Tee mit Butterbrot oder Brot und Käse, alles dies bis zur völligen Sättigung. Außerdem wird jedem auf Verlangen wöchentlich ein viertel Pfund Rauchtabak oder vier Lot Schnupftabak verabreicht.
Für das Schlaflager wird das Bettzeug wie folgt beschrieben: ein Strohsack, ein Flockenbett, ein Kopfpfühl und -kissen, zwei wollene Decken, im Winter eine große Bettdecke. Bei strenger Kälte werden die Schlafräume nachmittags geheizt. Die Leibwäsche wird wöchentlich, die Bettleinwand monatlich gewechselt. Im Krankheitsfalle genießen die Kranken bei Tag und bei Nacht eine gute ärztliche Pflege in den dazu eingerichteten Krankenzimmern; sie erhalten Arzneien, Krankensuppen und jene Stärkungsmittel (Wein u.ä.), die ihr Zustand erfordert.
Die Heimbewohner sitzen nicht tatenlos in ihren Zimmern, sie werden vielmehr mit verschiedenen Arbeitsvorgängen betraut. So lässt von Grand‘Ry verlauten: „Die Beschäftigung der meisten alten Leute besteht hauptsächlich in Wollplüsen, behufs Zurichtung ihrer Kleidung und ist mehr ein Zeitvertreib als eine Arbeit.“ Das Wollplüsen war das manuelle Entfernen von natürlichem Unrat wie Grashalme, Kletten, Zweig- und Blattstückchen, die vor dem Spinnen aus der gewaschenen Wolle gezupft wurden. Der Hinweis „behufs Zurichtung ihrer Kleidung“ lässt erkennen, dass diese Wolle im benachbarten „Werk- en Weeshuys“ verarbeitet wurde, wo die Waisenkinder mit Spinnen und Weben beschäftigt wurden. Den noch etwas rüstigen Bewohnern der Versorgungsanstalt wurden auch andere Tätigkeiten vorgeschrieben, die aber „nie eine bestimmte, sondern nur gute Arbeit“ war. Wenn die kräftigeren Männer geringe Feldarbeit verrichten mussten, erhielten sie dafür gegen 11 Uhr noch ein Glas Branntwein mit Butterbrot.
Diese nüchterne Aufzählung der 1837 in der Versorgungsanstalt verabreichten Speisen kommt uns heute bescheiden und anspruchslos, fast kärglich vor. Man darf allerdings davon ausgehen, dass damals das Arbeitervolk wohl kaum einen anderen Speiseplan gekannt haben dürfte.