73. Schorberg

Von der unteren Edelstraße geht seitlich ein Weg in das Schorberg. Wir nennen es „das“ und nicht „der“ Schorberg, weil auch der Volksmund von „ett“ und „ä ge Schorberrech“ spricht. Die Deutung des Flurnamens führt auf „Schor, Schorre“ = felsiger Abhang zum Ufer zurück. Dass dieser Abhang zum Weserufer früher ein felsiger war, bestätigt uns die Existenz eines Steinbruches, aus dem noch im 18. Jahrhundert Steine gebrochen worden sind. Das Schorberg war in der Frühzeit Waldgebiet; im 17. Jahrhundert finden noch Rodungen statt, und im Jahre 1735 gibt es bereits an einigen Stellen eine „waes int schorebergh“. Frühe Besiedlungen im Schorberg gab es nur wenige: man darf das alte Haus Mostert und das Haus im sogenannten „Mo‘essell“ dazu rechnen. 1930 wurde das Haus beim Beginn des Weges von der Edelstraße her gebaut und 1939 entstand dort das Haus Hansen im Alpenlandstil. Hier am Hang wurden dann nach dem 2. Weltkrieg noch mehrere Häuser gebaut, und nachdem die große Umgehungsstraße das Schorberg durchschnitt, erhielt der ausgebaute, einstige Karrenweg seine Zufahrt auf diese Umgehungsstraße „Frankendelle“, wodurch der Weg zur Durchgangsstraße wurde. Mächtige Mauern begrenzen den Weg zum Haasabhang hin. Hinter diesen Mauern befinden sich die Gärten und der Park der Häuser in der Haasstraße. Der große Park gehört zum Anwesen Thimus, Haasstraße 42 (1729 erbaut) – heutiges Haus Küchenberg. Die Parkmauern trennten die früheren Anwesen Thimus und Maes. Auf dem „Maes‘schen Besitz“ entstand bekanntlich die St. Josefspfarre, das Pastorat und die Kaplanei. Dem schmalen Gässchen zwischen beiden Grenzmauern hindurch zum Schorberg gab man den Namen „Maesgässchen“.

Ein Wiesental, die Frankendelle teilte das Schorberg in zwei Anhöhen: auf der einen, zur Judenstraße hin, steht seit 1937 die Jugendherberge, auf der anderen, zum Kehrweg hin, baute der „Deutsche Kaufmannsbund“ im Jahre 1916 ein großes Erholungsheim mit schöner Parkanlage, die einen Teil des Schorbergwäldchens mit einbeschließt. Nach 1920 kamen Haus und Park an das belgische Hilfswerk für Tuberkulose, das es als Lungenheilanstalt (Sanatorium) einrichtete. Heute ist hier das Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft untergebracht. Jenseits der 1964/65 neuangelegten Straße „Frankendelle“ gelangen wir in das eigentliche Schorbergwäldchen, das sich vom Kehrweg bis zum Weserufer hinzieht. Das Schorbergwäldchen war im 19. Jahrhundert Privatbesitz der Familie Grand Ry. Im April 1895 überwies die damalige Besitzerin, Frau Arthur Peters, geb. Schoeller, der Stadt Eupen eine Schenkung mit der Bestimmung, die „Grand Ry‘schen Liegenschaften“ im Schorberg (1 Hektar, 34 ar groß) anzukaufen, mit der Bedingung, jenes Grundstück dauernd und unveräußerlich als Hochwaldanlage und öffentlichen Spazierweg im Besitz der Stadt Eupen zu erhalten. Die Stadt Eupen nahm am 26. April 1895 die Schenkung unter den gewünschten Bedingungen mit Dank an, und nahm schon kurze Zeit darauf die Schaffung von Wegeanlagen in dem Schorbergwäldchen vor. Das Versprechen unserer Vorfahren dürfte Gewähr dafür sein, dass das Schorbergwäldchen in seiner schlichten Naturschönheit für alle Zeiten eine Oase ländlicher Ruhe inmitten des hektischen Verkehrs bleibt.


123. Das Kreuz im Schorberg

Im Jahre 1895 schenkte Frau Arthur Peters, geborene Schoeller, der Stadt Eupen ihre Liegenschaft, das Schorbergwäldchen, mit der Bestimmung, dieses Gelände dauernd und unveräußerlich als Waldanlage und öffentlichen Spazierweg im Besitz der Stadt zu erhalten.

Die Stadt nahm am 26. April 1895 die Schenkung mit Dank an und begann sogleich mit der Schaffung und Unterhaltung von Weganlagen. Der untere Teil dieses Schorbergwäldchens gehörte zum Teil der Firma Leonhars Peters und der Pfarre St. Josef.

Zu diesem unteren Teil führte, getrennt durch Bruchsteinmauern, ein schmaler Weg zur Haasstraße. Dieses Gässchen erhielt zunächst nur im Volksmund, später auch amtlich, den Namen „Maes‘sches Gässchen“, weil die Familie Maes die früheren Besitzer der dortigen Liegenschaften war, die sie zum Bau von Kirche, Kaplanei und Pfarrhaus zur Verfügung gestellt hatte. In diesem unteren Schorberg führt ein steiler Fußweg hinauf zur Judenstraße (Stadion). Hier, kurz vor dem ansteigenden Fußweg, befand sich ein Ruheplatz mit zwei Sitzbänken. Zwischen beiden Bänken stand im Schatten eines Bäumchens ein Kreuz.

Das Plätzchen bei dem Kreuz sah im Verlauf vieler Jahrzehnte manchen andächtigen Besucher und verlor erst seine Beschaulichkeit und Ruhe, nachdem die neuangelegte Umgehungsstraße Frankendelle das Gelände durchschnitt und der Landschaft ein völlig verändertes Aussehen gab. Das alte Kreuz wurde jedoch durch ein neues ersetzt, das sich noch heute dort befindet.


124. Sanatorium
Im Juni 1915 beabsichtigte die Deutsche Gesellschaft für Kaufmanns-Erholungsheime, gestützt auf Mitwirkung von Handel und Industrie sowie der Reichs- und Staatsbehörden, nunmehr auch in der Rheinprovinz ein Kaufmanns-Erholungsheim zu gründen, das zunächst ausschließlich in den Dienst der Fürsorge für die dem Stande der kaufmännischen und technischen Angestellten angehörenden kriegsbeschädigten Soldaten gestellt wurde.

Ein hervorragend schönes Grundstück
Da besonderer Wert auf die Berücksichtigung einer ruhigen und landschaftlich reizvoll gelegenen Gegend gelegt wurde, fiel die Wahl auf die Vorgebirge der Eifel in der Nähe von Eupen, wo die Stadt ein hervorragend schönes Grundstück zur Verfügung gestellt hatte.
Die Gesellschaft bedurfte aber zur Durchführung ihrer Aufgabe der tatkräftigen Unterstützung der Rheinprovinz, namentlich der leistungsfähigen Kreise aus Handel und Industrie, deren Angestellten das Heim nach der Bestimmung der Gesellschaft in erster Linie zugute kommen sollte.
Schließlich hatte sich ein Arbeitsausschuss für die Rheinprovinz gebildet, der als örtliches Organ der Gesellschaft sie in der Durchführung der Aufgabe unterstützen sollte und dem außer einigen Mitgliedern des Präsidiums der Gesellschaft für Kaufmannserholungsheime zu Wiesbaden namhafte Vertreter von Handel und Industrie aus der Rheinprovinz, ferner obere technische und Verwaltungsbeamte der Provinzialverwaltung aus Düsseldorf angehörten. Ferner hatten sich angesehene Herren zu einem Ehrenausschuss zusammengeschlossen.

Baumeister Mathias Ohn
Die reinen Baukosten des Heims wurden auf mindestens 500.000 Mark veranschlagt. Mit den Arbeiten zur Errichtung des Kaufmanns-Erholungsheimes auf der Höhe des Kehrbergs wurde am 1. September 1915 begonnen. Der erste offizielle Spatenstich geschah am darauffolgenden Tag. Die Maurerarbeiten zu dem Bau, der einschließlich Sockel- und Dachgeschoss, sechs Stockwerke umfassen sollte, hatte Baumeister Mathias Ohn aus Eupen übernommen. Kurz nach dem ersten Spatenstich wurde schon mit den Maurerarbeiten begonnen.
Das Heim sollte bereits in den ersten Jahren ausschließlich verwundeten Soldaten des Weltkrieges zur Benutzung zur Verfügung stehen. Ab 1916 sollte das Heim schon seiner endgültigen Bestimmung übergeben werden können.

Zahlreiche Spenden
Die Deutsche Gesellschaft für Kaufmanns-Erholungsheime hatte bereits eine umfangreiche Fürsorge für die verwundeten Kriegsteilnehmer eingeleitet. Diese Initiative wurde von der deutschen Industrie und Kaufmannschaft und zahlreichen Personen lebhaft unterstützt. Aus hiesigen Kreisen spendete man 92.500 Mark; namentlich genannt wurden Wm. Peters & Co., J.J. Krantz, die Firma Hüffer & Co. und die Aachener Kleinbahngesellschaft sowie die Kammgarnwerke AG, durch den Kommerzienrat Alfred Peters und Co. sowie seitens der Stadt Eupen und durch die Kabel- und Gummiwerke.
Das Bauwerk in seinen vornehmen Farbtönen und den gut angeordneten Terrassen, Liegehallen, Balkonen und schön gestaltetem Schieferdach, passte sich so recht der hiesigen Landschaft an. Über die Namensgebung dieses großartigen Erholungsheims wurde auch viel diskutiert. Man blieb aber bei der Bezeichnung „Kriegererholungsheim“. Eupen wurde durch diese neue Erholungsstätte weit über die Grenzen hinaus als „Luftkurort“ bekannt.
Es gibt wohl kein Gebäude in Eupen, das so oft seinen Namen änderte wie das frühere Sanatorium, das heutige Parlamentsgebäude der Deutschsprachigen Gemeinschaft.

1910 - Die Kaufmannsgesellschaft
Die Kaufmannserholungsgesellschaft ist Bauherr des Sanatoriums. Die Gesellschaft wird 1910 von dem Wiesbadener Kaufmann Josef Baum gegründet und nennt sich später „Europäische Gesellschaft für Kur und Erholung“. In ihrer Blütezeit ist sie Träger von 48 Häusern und damit die größte private Sozialvereinigung in Deutschland. Nach dem 2. Weltkrieg führt sie nur noch 22 Häuser in Westdeutschland. Um 1985 ist sie hoch verschuldet und muss Grundstücke und Gebäude verkaufen. Heute gehört der Gesellschaft noch ein Hotel, der „Kissinger Hof“ in Bad Kissingen.

1914 – Zeit des 1. Weltkriegs
Das Gebäude wird in den Jahren des 1. Weltkriegs errichtet, als Eupen noch deutsch ist. Das Haus soll als „Kaufmannserholungsheim“ dienen: Kaufmännische und technische Angestellte sowie Kaufleute sollten sich hier von den Strapazen ihrer Arbeit, die sie in den „Steinwüsten der Großstadt“ leisten, erholen können. Die Planung des Gebäudes liegt in den Händen der Architekten Jacobi und Badermann aus Düsseldorf. Finanziert wird das Bauvorhaben mit Spenden- und Stiftungsmitteln aus industriellen Kreisen. Auf Eupener Seite ist der Bürger Edler von Scheibler Fürsprecher des Bauvorhabens und treibende Kraft. Eupen will sich als Luftkurort profilieren. Die Stadt unter Bürgermeister Graf von Metternich erhofft sich einen Aufschwung des Tourismus und unterstützt das Vorhaben am Kehrweg großzügig: Sie stellt 8,5 Morgen Land zur Verfügung, legt die Zufahrt an, will für die Wasser- und Stromversorgung aufkommen und gewährt einen Bauzuschuss von 30.000 Reichsmark.

1915-1917: Rohbau
1915 ist Baubeginn, die Fertigstellung des Rohbaus erfolgt 1917. An alles haben die Architekten gedacht: Das graue Schieferdach passt sich der Landschaft auf dem höchsten Punkt Eupens bestens an, im Gebäude werden Bäder und Räume für die orthopädische Behandlung von Kriegsversehrten eingerichtet. Am Eingang, auf der Seite des heutigen Rundfunkgebäudes, entsteht ein Keglerheim, das später in ein Treibhaus umgewandelt wird. Eine prächtige Arztwohnung wird genau dort gebaut, wo heute der BRF sein Hörfunk- und Fernsehprogramm macht. Durch eine prächtige Gartenanlage sollen die Kurgäste lustwandeln und sich den frischen Atlantikwind um die Nase wehen lassen.

1918: Lazarett
Die Eröffnung des Kaufmannserholungsheims ist 1919 geplant; doch es herrschen Kriegszeiten. 1918 beschließt die Lazarettverwaltung Aachen, das Gebäude für eigene Zwecke zu nutzen.

1920: Belgien
Durch den Versailler Friedensvertrag werden die Kreise Eupen-Malmedy 1920 belgisch. Die Kaufmannsgesellschaft verkauft das Gebäude am Kehrweg für 1.125.000 Reichsmark an die belgische „Société Nationale contre la Tuberculose“. Am 14. Juli 1922 wird das Sanatorium für Lungenkranke eröffnet. Gleichzeitig findet hier die 3. Internationale Konferenz der Liga für Lungenkranke statt. Anwesend ist Generalleutnant Herman Baltia, Gouverneur von Eupen-Malmedy.

1940-1945: 2. Weltkrieg
Nach der Annektierung von Eupen-Malmedy durch Nazi-Deutschland kurz nach dem Einmarsch in Belgien wird das Gebäude wieder der Kaufmannsgesellschaft übertragen. Am 21. Mai 1941 eröffnet diese das „Rheinische Ferienheim Eupen“. Doch schon 1942 wird aus dem Gebäude ein Lazarett für lungengeschädigte Soldaten. Während der Ardennenoffensive richten die Amerikaner hier ein Frontlazarett ein.
1947: Wieder Sanatorium
1947 übernimmt die Nationale Gesellschaft für Lungenkranke das Gebäude wieder. Die Universität Löwen nutzt es als Universitätssanatorium, wobei auch Patienten der Universität Lüttich hier behandelt werden.

Ab 1965: Schulgebäude
Der Staat kauft das Gebäude für das Staatlich-Technische Institut (STI). Die Schülerzahlen steigen unaufhörlich, sowohl die Kellerräume als auch das Dachgeschoss werden zu Klassenzimmern umfunktioniert. Weitere Schulklassen werden auf dem umliegenden Gelände errichtet, die sogenannten RTG-Gebäude. Um dem chronischen Platzmangel entgegen zu treten, errichtet die staatliche Schulverwaltung ein neues Schulgebäude an der Vervierser Straße in Eupen. Nach der Fusion mit der Städtisch-Technischen Schule (STS) heißt die Schuleinrichtung fortan Robert-Schuman-Institut (RSI).

1989: Die DG wird zuständig
Die Deutschsprache Gemeinschaft übernimmt die Zuständigkeit für das Unterrichtswesen der DG vom Föderalstaat nach der Verfassungsreform von 1988. Seitdem verwaltet sie auch die Schulinfrastrukturen. Per Königlichen Erlass vom 22. Oktober 1991 überträgt der belgische Staat das Gebäude und das umliegende Gelände in das Eigentum der DG.
 
Ab 2000: Suche nach neuer Zweckbestimmung
Auch wenn der Unterricht des RSI im Wesentlichen an der Vervierser Straße stattfindet, dient das Gebäude am Kehrweg noch bis Ende des Schuljahres 2006-2007 als Internat, auch einzelne Unterrichte finden noch hier statt. Doch das Gebäude ist mittlerweile zu groß, die Einrichtung veraltet. So stellt sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Frage nach einer neuen, sinnvollen Zweckbestimmung. Mit der Entscheidung, hier den Parlamentssitz einzurichten, dürfte eine langfristige Lösung für den Erhalt des Gebäudes gefunden worden sein.


153. Der Schorberg


154. Die Flur Frankendelle im Schorberg


155. Frankendelle und die Schorberg-Weiher


260. Haus im Schorberg

Vor 35 Jahren wurde eines der ältesten Häuser im Schorberg abgerissen. Das Grenz-Echo erinnerte in seiner Ausgabe vom 14.08.1987 an die Geschichte dieses Hauses....


261-263. Das Schorbergwäldchen

Seit mehr als 125 Jahren ist das Schorbergwäldchen ein beliebter Wandelpfad für Spaziergänger, die aus dem Bergviertel kommend in die Unterstadt, zum Langesthal oder weiter noch Richtung Talsperre gelangen wollen. In drei Artikeln blickte das GE-Magazin auf die Geschichte des Schorbergwäldchens zurück...