35. Bäckereien im Bergviertel

 

Plaudereien um eine alte eupener Bäckerei

Aus den Erinnerungen von C. Meyers-Michel

Meine Eltern heirateten noch im 19. Jahrhundert, im Jahre 1896. Zunächst führten sie eine Bäckerei in Thebaten, heute Rotenberg genannt … Der Backofen war im allgemeinen viereckig. Er bestand aus nur einem Hohlraum, der Heiz- und Backraum in sich vereinigte. Unser Backofen hatte nur eine Tür, das sogenannte Mundloch, welches sowohl zum Heizen, wie zum Einschieben benutzt wurde. Dieser Ofen wurde direkt geheizt, d.h. die Backware kam auf dieselbe Backfläche, wo vorhin das Heizmaterial abbrannte. Kein Wunder, dass sich manchmal auf der Unterseite des Brotes eine Holzkohle ansässig gemacht hatte und mit eingebacken wurde ... Der Backofen wurde nun mit Holz gefüllt und angezündet. Die weißglühenden Steine zeigten an, dass die nötige Hitze erreicht war. Der Bäcker nahm nun das Dampffass, ein aus Eisenblech gefertigtes Fass mit einem Verschlussdeckel. Er stellte das offene Fass unter das Mundloch des Ofens und schob das zu Holzkohlen gewordene Heizmaterial mit einem Krätzer in das Fass. Dieses wurde nun verschlossen und auf der unteren Bordseite rollend nach draußen befördert ... Die erkalteten Holzkohlen wurden verkauft. Die Hausfrauen benutzten dieselben zum Wärmen der Bügeleisen, zum Anzünden des Feuers. Ja, selbst in der Kirche fanden sie Verwendung, indem man glimmende Holzkohlen in das Weihrauchfass legte … Nachdem das Holz aus dem Ofen entfernt war, wurde dieser mit einem feuchten Tuch, dem Wesch, gründlich gereinigt. Dann nahm der Bäcker den Schiesser aus den Haken, und ein Brot nach dem anderen wanderte in den Ofen.

Die größte Vorbereitung erforderte der Reisfladen. Stundenlang musste der Reis gekocht werden, keine leichte Sache, besonders im Sommer, wenn die Nähe eines starken Herdfeuers grade nicht sehr angenehm war. Der Milch fügte man die entsprechende Menge Reis, Zucker und eine Stange Vanille zu. Nachdem der gekochte Reis erkaltet war, wurden die Eier untergerührt. Wie oft kam es bei gewittriger Schwüle vor, dass die Milch umging! Heute würde man den ersten besten Milchhändler anrufen, und recht bald stände frische Milch bereit. Damals musste man die Milch im voraus bestellen und sie meist selbst holen gehen. Besonders im Winter war es oft ein Problem, mit genügend Milch beliefert zu werden.

Eine Eupener Spezialität war und ist auch heute noch der Platz. Platzteig ist natürlich auch ein Hefeteig. Statt des Stampfzuckers nimmt der Bäcker Würfelzucker, den er in kleinere Stücke bricht, die nach dem Backen im Platz zu finden sind. In den Platzteig kommen auch Rosinen und Korinthen. Der alte Eupener Bäcker nahm zur Hälfte Butter, zur Hälfte Schmalz.

„Kninsköppe“, kleine brötchenartige Kuchen, die aneinanderhingen, backte man aus Platzteig. Die vier zusammengebackenen Kninsköppe nannte man in echt Eupener Mundart „Ne Kröttel Kninsköpp“. Auch die zu Nikolaus oder Weihnachten hergestellten Klosmänner wurden und werden noch heute aus demselben Teig und in allen Größen gebacken. Zu Fastnacht gab es Pöffele, heute nennt man dieses Backwerk Berliner.

 

Liste der Bäcker und Konditoren im Bergviertel nach einem Adressbuch von 1896

Berg, Nic., Haasberg 1

Bong, Heinrich, Bergstraße 57

Bourseaux, Math., Rothenbergstr. 32

Brandenberg, A. Wwe., Olengraben 2

Cloot, Johann S. Wwe., Haasberg 15

Cormann, Nikolaus, Bergkapellstraße 2

Collard, Mathias, Olengraben 1

Derousseaux, Hermann, Bergstraße 129

Emonds, August, Bergstraße 94

Hausmann, Nicolaus, Neustraße 19

Herbrandt, Mathias, Bergkapellstraße 28

Klein, Geschwister, Bergstraße 104

Klein, Johann, Bergkapellstraße 36

Kück, Johann, Bergkapellstraße 66

Kück, Johann W., Bergkapellstraße 19

Kück, Leonard, Bergkapellstraße 48

Lüchem, Geschwister, Bergstraße 91

Michel, Hubert, Rothenbergstr. 40

Michel, Heinrich Wwe., Bergstraße 69

Michel, Leonard, Olengraben 21

Mockel, August, Judenstraße 11

Müllender, Joseph, Haasberg 2

Tilgenkamp, Rudolph, Bergstraße 114

Weinand, Joseph, Neustraße 54


98. Hausweber im Bergviertel

Begonnen hatte die Eupener Tuchmanufaktur mit der Zuwanderung flämischer Weber im 14. Jahrhundert. Im 19. Jahrhundert bestand der Hauptgewerbebetrieb in Eupen noch in der Tuchfabrikation. Ende 1852 gab es in Eupen 22 Wollspinnereien mit 781 Arbeiter, sowie 21 Tuchfabriken mit 2891 Arbeitern. Daneben blühte die Hausweberei, in der man 1060 Webstühle zählte.

Um 1880 gab es in unserer Stadt noch fast 900 Hauswebstühle. Diese wurden in den gewerblichen Anlagen der Oberbürgermeisterei Eupen erfasst, mit den Namen der Hausweber und, straßenweise geordnet, die Anzahl ihrer Webstühle. Sie waren die letzten Eupener Hausweber, denn die Umstellung von der Handweberei zum Maschenbetrieb war 1890 so gut wie vollendet. Ob in seinem jetzigen Wohnhaus noch vor 125 Jahren ein oder mehrere Webstühle standen oder seine Vorfahren noch „op gen hölte Katto“ gesessen haben, dürfte manch einen interessieren. Auch gibt die Auflistung hier unten einen Aufschluss darüber, wie die Straßen(namen) des Viertels entstanden und wie viele Häuser Ende des 19. Jh. im Bergviertel standen.

Bis um die Jahrhundertwende waren die Eupener Tuchmacher Heimarbeiter gewesen; sie arbeiteten eigenständig und handwerklich, erhielten für ihre hergestellte Ware einen Stückpreis, und die Handwebstühle waren ihr persönliches Eigentum. Der Übergang vom häuslichen zum industriellen Weben in der Fabrik vollzog sich in Eupen verhältnismäßig langsam. Nach einer Statistik aus dem Jahre 1880 standen im Regierungsbezirk Aachen 9685 mechanischen Fabrikwebstühlen nur noch 1934 Hand- und Hauswebstühle gegenüber, der größte Teil davon im Kreis Eupen. Doch aufzuhalten war der technische Fortschritt nicht, denn die neuesten Fabrikwebstühle arbeiteten schon 1880 fünfzehnmal schneller als der Hand- und Hauswebstuhl.

 

Die letzten Eupener Hausweber im Bergviertel (die Zahl vor dem Namen bezeichnet die Hausnummer im Jahre 1880; die Zahl hinter dem Namen die Anzahl seiner Webstühle) :

 

Die Bergstraße

Am Straßenverlauf der Bergstraße änderte sich in den vergangenen 125 Jahren nichts: sie begann 1880 im Anschluss an die Kirchstraße beim Eckhaus Goor (jetzt abgebrochen) und endete an der Bergkapellstraße beim Haus Michel. Die linke Straßenseite begann beim Eckhaus Klötzerbahn und endete beim Eckhaus Judenstraße. 128 Häuser standen 1880 zu beiden Seiten der Altstadtstraße, 68 an der rechten und 60 an der linken Seite. 20 Hausweber wohnten in 13 der Häuser und 45 Kattos standen insgesamt in diesen Häusern an der Bergstraße:

41 Kriescher Jacob 1 / Raumanns Mathias 2 / Nahl Mathias 3 / 73 Schwartzenberg Nicolaus Witwe 1 / Geschwister Weynandts 2 / Haut Gustav 2 / 64 Toussaint Leonhard 1 / 95 Brüll Leonhard Witwe 3 / 70 Lüchem Leonhard 4 / Vanderath Egidius 3 / Breuer Joh. Michael 1 / 72 Breuer Arnold Witwe 3 / 74 Degueldre Joseph 2 / Brüll Hermann Witwe 3 / 76 Kelleter Math. 1 / 101 Reul Wihl. 3 / 103 Pesch Joseph 2 / 94 Mommer Robert 2 / Fett Adolph 2 / Rousch Heinrich 2 / 98 Vandersander Johann Peter 2.

 

Die Judenstraße

47 Häuser zählte die Judenstraße von 1880, in 11 Häusern befanden sich insgesamt 31 Hauswebstühle:

4 Schmitz Heinrich 4 / Jerusalem Egidius 2 / 20 Voss Peter 6 / 28 Reinartz Franz 1 / 30 Hausmann Peter 2 / 57 Schmitz Leonhard Michael 2 / 47 Bossen Aug. 1 / 39 Creutzer Jos. 1 / 37 Scholl Franz 1 / Wittekind Joseph 3 / Delhaes Martin 5 / 53 Schwitzer Johann 1 / 31 Baltus Peter 2.

 

Bergkapellstraße

Dem Namen nach war die Straße 1880 kaum 7 Jahre alt; bis 1873 hatte das Altstadtviertel die Bezeichnung „in Tebaten“ getragen. 43 Häuser säumten die beiden Straßenseiten (einschließlich St. Johannes Kapelle). In 8 Häusern standen ein oder mehrere Hauswebstühle:

58 Hohn Peter 2 / 52 Schloßmacher Lambert 2 / Schmitz Leonhard 2 / Krickel Nicolaus 2 / Jansen Hubert 1 / 32 Heeren Mathias 2 / Müller Joseph 1 / 30 Mostert Johann 1 / 26 Brüll Joh. Peter 2 / Carls Joseph 1 / 28 Bodem Heinrich 3 / 16 Drouven Hermann 1 / 6 Ortmann Wilhelm 2.

 

Die Edelstraße

Auch diese Straße trug ihren neuen Namen erst seit 7 Jahren; bis dahin hieß es in alten Grundbüchern schon seit dem 16. Jahrhundert immer nur „Ässel, in den Esel“ für den alten Eupener Ortsteil und den Verbindungsweg von der Judenstraße zur Haasstraße. 6 Häuser standen 1880 an der rechten und 12 Häuser an der linken Straßenseite. Die Häuser an der rechten Seite waren von 1 bis 11 und an der linken Seite von 2 bis 18 und von 24 bis 30 numeriert. Wir treffen in 7 Häusern der Edelstraße insgesamt 14 Hauswebstühle an:

24 Dohm Peter Joseph 2 / 16 Wertz Hubert 2 / 8 Schmitz Ernst 3 / 6 Michel Nicolaus 2 / 4 Schmitz Hubert 2 / 1 Klerx Thomas 1 / 11 Merlotte Heinrich 1 / Jäger Leonhard 1.

 

Haasberg

22 Häuser standen 1880 im Haasberg und in 5 Häusern befanden sich Hauswebstühle:

6 Pelzer Simon 2 / Bohn Heinrich 2 / 4 Dahlen Nic. 1 / Jansen Frant 2 / Klever Nicolaus 1 / 3 Klerx Thomas 1 / 1 Bodem Peter 1 / Plumanns Leonhard 1.

 

Rotenberg

Eine durchgehende Straße wurde der kleine Weg von Stockem über den Bach und das Etterstental hinauf zum „roten Berg“, auf dem seit dem 18. Jahrhundert das Waisenhaus thronte, erst im Jahre 1875. Oberbürgermeister Peter Becker hatte durch Erdanfüllung von 1870-1875 die neue Straße schaffen lassen. Die einzige alte Besiedlung des Rotenberg bestand daher 1880 nur aus den Häusern am oberen „roten Berg“. Es waren allerdings von Stockem her gesehen, damals an der rechten Seite 17 Häuser, wovon das Waisenhaus die Hausnummern 7-9 und ein Spritzenhaus der Feuerwehr die Hausnummer 5 trugen. An der linken Straßenseite standen 20 Häuser, so dass die „Rothenbergstraße“ von 1880 insgesamt 37 Häuser zählte. In fünf dieser Häuser finden wir zusammen 11 Hauswebstühle vor:

29 Mostert Nicolaus Joseph 3 / 22 Janssen Egidius 1 / 16 Dürnholz Jacob 2 / 8 Neumann Heinrich 3 / 5 Krott Thomas Witwe 2.

 

Der Olengraben

17 Häuser an der rechten Straßenseite (vom Rotenberg her) und 5 Häuser an der linken Straßenseite weist der Olengraben von 1880 auf. Fünf Hausweber besitzen hier in vier Häusern zusammen 10 Hauswebstühle:

5 Kreuer Peter Nicolaus 3 / Weinberg Franz Hubert 2 / 9 Brüll Anton 2 / 11 Merlotte Lambert 2 / 19 Mattar Gerhard 1.

 

Die Neustraße

Schon 61 Häuser zählt 1880 die erst am 10. Mai 1846 feierlich dem Verkehr übergebene „neue“ Eupener Straße zu ihren beiden Straßenseiten. Es waren moderne und für die damaligen Begriffe prächtige Häuser, die in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts dort entstanden. Kaufleute, Ärzte und Fabrikanten bewohnten sie. Für einen armen Hausweber und sein Weberstübchen war hier nicht der geeignete Ort. Wir treffen daher die Eupener Hausweber in dieser Straße nur im oberen Teil der Straße, der schon früher besiedelt war, an. Es sind dies die Häuser Baltus an der linken Straßenseite (mit Toreinfahrt und Hinterbauten) und das Haus oberhalb der „evangelischen Schule“ (später franz. Schule). Nur in vier Häusern der Neustraße ratterten ein oder mehrere Webstühle:

86 Merlotte Johann 2 / 66 Hermanns Lorenz 3 / Decker Peter 1 / 64 Roderburg Heinrich Hubert 4 / Klerx Wilhelm 2 / 58 Gielen Carl 1.

 

Am Berg

Die seitlich der Bergstraße gelegene Straße „Am Berg“, im Volksmund „bate gen berrech“ genannt, wies im Jahre 1880 einen Bestand von 37 Häusern auf. 7 Hausweber wohnten dort und besaßen insgesamt 11 Webstühle:

44 Jansen Johann Hubert 1 / Allemand Egidius 1 / 52 Laps Johann Joseph 1 / 32 Assent Nicolaus 2 / 26 Honds Nicolaus 1 / 24 Vanerk Math. Jos. 1 / 18 Jost Mathias Joseph 4.


99. Eupener Tabakfabriken

Arnold Carl Martin Bong wurde am 18. März 1897 in Eupen geboren. Nach dem ersten Weltkrieg gründete er in der Neustraße bzw. auf dem Rotenberg in Eupen eine Tabakverarbeitungsfirma. Am 13. November 1924 heiratete er Regina Teller. Am 18. Januar 1926 verunglückte er tödlich auf einer Verkaufsfahrt in Born bei St. Vith. Seine Gattin brachte am 14. März 1926 Sohn Arnold zur Welt. Die Wwe. Regina Bong-Teller übernahm die Leitung der Tabakfirma bis ihr Sohn 1945 aus dem Krieg zurückkam. Arnold Bong starb am 11. Dezember 1971 im Alter von 46 Jahren an den Folgen einer Kriegsverletzung. Seine Gattin Doris Beck übernahm nun für einige Zeit die Leitung der Firma, stellte jedoch Ende 1972 die Fabrikation von Tabakwaren ein.

Das Schnupfen von Tabak verbreitete sich seit 1636 durch einen spanischen Geistlichen in Rom und erreichte bald unsere Gebiete. Hiesige Tabakfabrikanten kauften von den Großhändlern verschiedene Tabaksorten ein, die sie dann nach Bedarf und Geschmack der Kunden mischten.

1860 entstand in Eupen der erste Betrieb, der sich mit der Verarbeitung von Tabakblättern beschäftigte. Die Arbeit an den Tischen ging nicht lautlos vor sich, im Gegenteil, gemeinsam wurden saisonbedingt lustige oder traurige Lieder gesungen. Die Fertigung der Zigarre unterliegt einem bestimmten Tabakgeschmack, der durch das Mischen verschiedener Tabaksorten nach einem geheimen Rezept sowie mit Beizvorgängen erreicht wird. Die zur Herstellung einer Zigarre verwendeten Tabakblätter werden angefeuchtet, dann entrippt und zerschnitten oder zerrissen. Mitarbeiterinnen, die in der Tabakfabrik Bong auf langen Holzbänken saßen, formten mit geschickten Händen aus Blattstücken der gemischten Tabaksorten den „Wickel“ in Zigarrenform. Diesen „Wickel“ umhüllten sie mit einem besonderen Blattstück, dem Umblatt, und umrollten das Ganze mit dem vorher zurechtgeschnittenen Deckblatt. Die von Hand gefertigte vorgearbeitete Zigarre wurde dann in speziell angefertigte Formbretter gepresst und 10 bis 14 Tage darin aufbewahrt.

In den Adressbüchern der Stadt Eupen werden im 20. Jahrhundert folgende Tabakfabrikanten erwähnt:

1902 : Koch-Becker, Borngasse 31 und Leonard Mattar, Bergstraße 86

1906 : Koch-Becker, Borngasse 31; Leonard Mattar, Bergstraße 86; Mayer u. Schauf, Neustraße 28

1913 : Bohr & Cie, Neustraße 18; Koch-Becker, Borngasse 31; Wwe. Albert Meyer, Neustraße 48; Roderburg H. & Co, Neustraße 51

1926-1927 : Wwe. Arnold Bong, Neustraße 51; W. Altmeyer, Neustraße 57; De Mulder Oskar, Kaperberg 1; Lenz Josef, Klosterstraße 1; Roderburg H. & Cie, Aachener Straße 7; Rossi Curzio, Kaperberg 41; Van Zuylen Frères, Borngasse 31


163. Die Baasen

Um die Jahrhundertwende vom 18. zum 19. Jahrhundert gab es in Eupen zahlreiche Baasen, d.h. Weber, die die Tuchmacherei im Familienbetrieb als Nebenerwerb betrieben. Die Einführung der ersten Wollspinnmaschinen ab dem Jahr 1807 brachte einschneidende Veränderung mit sich, die zum Aufstand der Baasen führten...


177. Wirtschaften im Bergviertel

Diesmal widmen wir uns dem Wirtschaftsleben im Eupener Bergviertel. Zwei Zeitungsartikel beschreiben die Situation in Eupen gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Dabei wird auch ein besonderer Blick auf die Lage an den Steigungen geworfen, von denen es im Bergviertel naturgemäß einige gibt. Auch die Kneipenlandschaft „Aunder gen Haas“ und in „te Baten“ wird beleuchtet.


189. Die Karren- und Frachtfuhrmannszeit
Auf den ostbelgischen Bauernhöfen und in zahlreichen Unternehmen gab es viele Jahrzehnte hindurch zahlreiche Wagen- und Karrenarten, die von Ochsen, Kühen oder Pferden gezogen wurden. Alle diese Fahrzeuge wurden von Hand angefertigt: Radbeschläge, Karrengestelle, die großen Holzräder, die Speichen aus Eichenholz und Naben, die aus einem dicken Baumstamm herausgeschnitten und auf einer Drehbank gedreht wurden. Sie hatten einen Durchmesser von 20 cm und waren ebenfalls aus Eichenholz. Um die Radspeichen herzustellen, arbeitete der Stellmacher mit Schabhobel und Beil. In der alten Schmiede an der Eupener Judenstraße, die 1975 von der Bildfläche verschwand, arbeiteten sie an einer Drechslerbank, die von zwei Arbeitern mit einem Schwungrad angetrieben wurde, lange Zeit noch im Schein der Tran- oder Petroleumlampe, um die zahlreichen Reparaturarbeiten an den Wagen und Karren der Landwirte auszuführen. Auf der uralten Drechslerbank entstanden die Einzelteile für einen damaligen Pferdewagen.
Bei dieser manuellen Herstellung benötigte man allein für zwei Wagenräder zwei Wochen – heute wäre das eine Arbeit für wenige Stunden. Bis weit in die Judenstraße hinein standen die reparaturbedürftigen Wagen, die angesichts des mühsamen und langsamen Arbeitsvorgangs längere Zeit für den Bauern oder Fuhrmann entbehrlich sein mussten. Die Vielzahl der Aufträge und die rund 20 zu beschlagenden Pferde pro Tag ließen die Stellmacher und Schmiede in ihrer Arbeit fast ersticken. Die Radbeschläge wurden von Hand geschnitten, in zwei großen Feuern erhitzt und dann das bereits fertiggestellte Rad gepresst. Nach dem Auflegen wurde das Radband mit dem Hammer in die richtige Lage gebracht und die Endstücke dann zusammengehauen. Beim Erkalten zog der Reifen sich dann fest auf die Felgen. Geschmiedet wurde in einem durch Kohle geheizten Feuer, das zunächst durch einen handbetriebenen Blasebalg und später von einem Zylindergebläse aufrechterhalten wurde.
Zum Transport von Lasten, z.B. von Heu und Getreide, besaß man einen vierräderigen Leiterwagen. Diese Heu- oder Leiterwagen fand man damals auf jedem Bauernhof. Sie wurden zum Einfahren von Heu oder Grummet benutzt. Der eigentliche Wagen bestand aus zwei Seitenleitern, die vorn und hinten von je zwei Sparren mit Eisenösen zusammengehalten wurden. An den Wagenenden befanden sich je zwei 2m hohe Bäume. Oben auf der Heuladung befand sich der sogenannte „Wiesbaum“. An demselben befanden sich Ketten, die mittels einer Kurbelwelle das Heu niederdrückten und es so transportfähig machten. Nach dem 2. Weltkrieg sah man auf den Bauernhöfen die gummibereiften Karren und Wagen, die hinter die immer zahlreicher werdenden Traktoren gespannt wurden.
Die Gassen und Hohlwege über den Berg zwischen dem Teil unter der Haas und Ober-Eupen liefen oft zu mehreren in verschiedener Höhe parallel. Der ältere Weg war durch das von den Hängen fließende Wasser unfahrbar geworden, und die Fuhrleute mussten höher am Hang sich neue Fahrwege bahnen. So lagen an einer Stelle vier Fahrstraßen übereinander. An anderen Stellen konnten die Fahrstraßen tiefer gelegt werden. Das war die Zeit des endlosen Vorspanns und der zahllosen Fuhrmanns-Schenken. Da fuhren ein oder zwei PS mit Wagen, Kutschen und Fuhrwerken den Olengraben auf und ab. Ganz gemütlich ging es von einem Stadtteil zum anderen. Nur wenn die Last zum Aufstieg des Olengrabens zu schwer war, wurden ein oder zwei Pferde ab Malmedyer- oder Haasstraße vorgespannt bis Thebaten. An der Pferdetränke in Thebaten wurde haltgemacht. Die Pferdetränke war also das Rendez-vous der Tiere und ihrer Führer. Zwei kleinere Becken dienten den Durst der vierbeinigen Begleiter der Fuhrleute zu stillen. Rund um das Mittelbecken steht in Buchstaben ausgehauen: „Diese Gabe werde zur Labe“. Im Sommer wie im Winter herrschte hier reges Leben. Mensch und Tier ruhten aus, und wenn die Tiere ihren Durst stillten, taten die Fuhrleute dasselbe in dem an der Ecke Neustraße gelegenen Restaurant.


251. Alte Gewerbe im Eupener Land

Es war eine romantische Zeit im Bergviertel, die Fuhrmannszeit. Als nach dem ersten Weltkrieg die Kraftfahrzeuge lohnender wurden, als Autos die Pferde und Fuhrwerke ablösten, waren Pferdewagen kaum noch gefragt. Die zahlreichen Schmieden in Eupen, es waren mehr als ein Dutzend, die sich bis dahin nicht über Arbeit und Kundschaft zu beklagen hatten, mussten sich langsam auf andere Arbeiten umstellen. Es gab nicht nur Hufschmiede. Auch Nagel- und Wagenschmiede, sowie Stellmacher hatten alle Hände voll zu tun.

Mathar auf der Judenstraße war als die älteste Huf-, Nagel- und Wagenschmiede bekannt, klang doch hier der Schmiedehammer seit 300 Jahren, und erzählten Amboss und Schmiedefeuer aus der Geschichte eines jetzt fast ausgestorbenen Gewerbes. Der Hufschmied behufte oder beschlug die Pferde, deren Zahl man noch um 1900 in Eupen auf 400 Stück einschätzte. Der Nagelschmied fertigte die Nägel an. Alles war Handarbeit. Der Wagenschmied schuf alles, was an einem Fuhrwerk oder Wagen aus Eisen hergestellt wurde, so Eisenbeschläge, Achsen, Ringe usw. während der Stellmacher oder Wagenbauer den Holzkasten, die Räder, Deichseln usw. herstellte.

Die Fuhrwerke wurden von den Fuhrleuten bedient – in der Mundart Vormer genannt. Noch 1934 befand sich am Rotenberg eine Pferdetränke, ein Kunstwerk des Eupener Bildhauers Stüttgen, das für den modernen Verkehr aus dem Straßenbild verschwinden musste und erst nach vielen Jahren wieder an seinem alten Standort errichtet wurde. Die Vormer waren manchmal Künstler im Peitschenknallen, ebenso wie sie soft unübertrefflich waren im Fluchen, Schimpfen und Trinken. Die Fuhrleute waren bei Fuhrunternehmen beschäftigt, so z.B. bei Mostert am Berg oder bei Kremer im Olengraben. Die Fabriken verfügten weder über Pferde noch Fuhrwerke. Man ließ Waren von Fuhrwerken bringen und abholen zum Versand. Der Fuhrunternehmer besorgte auch Möbeltransporte, wozu er meist einen großen Möbelwagen zur Verfügung stellte.

Eiserne Ringe an verschiedenen alten Häusern und Schänken, besonders an ansteigenden Straßen wie dem Olengraben oder der Bergstraße dienten dazu, die Vorspannpferde anzubinden. Das Verleihen dieser Vorspannpferde war auch ein Gewerbe dieser Zeit, das seinen Mann ernährte, aber auch mit dem Abbau des Fuhrwerkverkehrs begraben werden musste.


 276. Kohlenhändler

Mit Beginn der kalten Jahreszeit möchte man sich gerne einmal daran erinnern, wie unsere Vorfahren durch den Winter kamen...

Lange Zeit war der Kohlenhandel ein einträglicher Beruf, der oft vom Vater auf den Sohn übertragen wurde, und deren Familien ein gesichertes Einkommen garantierte. Das Stadtmuseum befindet sich noch im Besitz der Werkzeuge eines der letzten Eupener Kohlehändler, darunter eine Dezimalwaage, genannt „Basküll“, eine Spezialanfertigung zum Abwiegen und Abfüllen von festen Brennstoffen, wie Kohle, Koks oder Briketts bzw. Eierbriketts in Säcken. Diese Werkzeuge geben Kunde von den harten und schweren Arbeitsbedingungen des Kohlenhändlers. Das von ihm bei den Kohlengruben bestellte Heizmaterial wurde in Eisenbahnwaggons im Eupener Güterbahnhof angeliefert. Der Inhalt von drei bis vier Schüttwaggons (je 25 Tonnen) musste täglich in die bereitstehenden Pferdefuhrwerke umgeschaufelt werden. Ein guter Arbeiter benötigte etwa vier Stunden zum Entleeren eines Waggons. Für diese Arbeit stellten sich am Bahnhof oft Helfer, sogenannte Tagelöhner, zur Verfügung, wohlwissend, dass meistens nach jedem entleerten Wagen in der nahen Wirtschaft einige Biere zum Nachspülen des Kohlenstaubes angeboten wurden. Waren Durst und Staub allzu hartnäckig, musste das Pferd mit dem gefüllten Karren den Weg alleine zum Kohlenlager finden.

Die Blütezeit des Kohlenhandels war vom Ende des 19. bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Damals sah man die Händler regelmäßig in Eupens Straßen, wenn sie unterwegs waren, um ihre Kunden zu beliefern. Im Jahre 1907 gab es in Eupen 32 Kohlenhändler, die mit diesem Geschäft ihre Familie ernähren konnten, darunter einer auf der Judenstraße und 7 an der Bergstraße. Früher gab es viele Familien, die sich keinen Vorrat an Heizmaterial kaufen konnten. Daher führte der Kohlenhändler auf seinem Karren lose Kohle mit sich, die er nach Bedarf in kleineren Mengen abfüllte. Dazu benutzte er den „Scheffel“, einen Behälter, der rund 30 Liter Kohle fasste.

Im Jahre 1928 waren noch folgende Kohlenhändler im Bergviertel registriert: Breuer Bartholomäus, Bergkapellstraße 3, Jakobs Josef, Bergstraße 98, Slangen Nikolaus (auch Wirt), Bergstraße und Sohet Nikolaus, Bergstraße.

Neben der Heizkohle brauchte auch der Hufschmied für sein Schmiedefeuer Kohlen. Nach dem zweiten Weltkrieg gab es in Eupen noch 14 Kohlenhändler, die Zahl verminderte sich aber ständig. Bis 1980 hatten sich fast alle Familien unserer Stadt auf das Heizen mit Öl, Gas oder Elektrizität umgestellt; dies veranlasste die Kohlenhändler nunmehr Flaschengas oder Heizöl anzubieten.


277. Das Bergviertel im Jahr 1974

Im Jahr 1974 feierte Eupen sein 300. Stadtjubiläum. Aus diesem Anlass veröffentlichte der Grenz-Echo-Verlag ein Lesebuch, welches u.a. einiges über das Bild des Bergviertels zu dieser Zeit auszusagen vermag. Zum allgemeinen Zustand der Gebäude wurde eine im Jahre 1963 durch das Nationale Wohnungsinstitut durchgeführte Wohnungszählung zitiert, die festgestellt hatte, dass im Eupener Stadtgebiet 311 Häuser in schlechtem, nicht verbesserbarem Zustand (mit anderen Worten abbruchreif) waren, davon 9 Am Berg, 18 an der Bergstraße, 4 an der Bergkapellstraße, 3 in der Edelstraße, 7 im Haasberg, 10 an der Judenstraße, 1 auf der Neustraße, 8 im Olengraben, sowie 8 am Rotenberg. Von den vor bzw. um 1850 erbauten 856 Häusern wurden lediglich 49 für gut, 200 für befriedigend, 323 für verbesserbar und immerhin 285 für schlecht und ungesund befunden. Viele der Bergviertel befindlichen Häuser stammten aus dieser Epoche. Zum Zeitpunkt des Stadtjubiläums im Jahr 1974 waren höchstens 10% dieser „Elendsquartiere“ niedergerissen worden. Es gab also auf diesem Gebiet noch einiges zu tun.

Gleichzeitig hatte das Bergviertel aber noch einiges zu bieten. Zahlreiche Dienste und öffentliche Einrichtungen hatten ihren Sitz in diesem Bereich der Stadt : Wasserwerk, Gewerkschaften, Krankenkassen, Industrie- und Handelskammer, Arbeitgeberverband, das Landesamt für Arbeitsbeschaffung, Arbeitslosenkasse, Familienzulagenkasse, Baugenossenschaft, der Zwischenberufliche Gesundheitsdienst Ostbelgiens und das Gesundheitszentrum. Hinzu kam die Städtische Grundschule für französischsprachige Kinder samt Kindergarten, sowie die Musikakademie und die Jugendherberge.

 

An Industriebetrieben, kleineren und mittleren Unternehmen, Geschäften und Handwerkern gab es zu dieser Zeit noch rund 80 im Bergviertel, wie folgende Liste zeigt:

 

Am Berg

Schuhmacher Willems Am Berg 46

 

Bergkapellstraße

Metzgerei Bosch Bergkapellstrasse 23

Holztransporte Lenz Bergkapellstrasse 30

Landwirt Ortmann Bergkapellstrasse 32

Postkartenverlag Lander Bergkapellstrasse 46

Anstreicherbetrieb Pomme Bergkapellstrasse 48

 

(Obere) Bergstraße

Jeans-Shop Bergstrasse 44

Schreibwaren Toussaint Bergstrasse 44

Metzgerei Koonen Bergstrasse 48

Tricots Rouland Bergstrasse 54-56

Schornsteinfeger Neumann Bergstrasse 58

Damenfrisiersalon Queck-Gensterblum Bergstrasse 60

Damenfrisiersalon Billen Bergstrasse 63

Lebensmittel Closset Bergstrasse 64

Lebensmittel Dey Bergstrasse 65

Miederwaren Deneffe-Philipps Bergstrasse 67

Anstreicherbetrieb Lennertz Bergstrasse 68

Heißmangel Langohr-Schins Bergstrasse 106A

Restaurant Central Bergstrasse 116

Autobusunternehmen + Taxi Theves Bergstrasse 123

Kolpinghaus Bergstrasse 124

Herrenfrisiersalon Lampson Bergstrasse 141

Autolackiererei Collet Bergstrasse 142

Metzgerei Dohm Bergstrasse 158

 

Edelstraße

Vereins- und Werbeartikel Krafft Edelstrasse 2A

Bäckerei Rosenstein Edelstrasse 11

 

Haasberg

Schuhmacher Burtscheidt Haasberg 2

Schuhmacher Watroba Haasberg 11

 

Judenstraße

Lebensmittel Clarizia Judenstrasse 1

Lebensmittel Kerres Judenstrasse 9-11

Reitschule Kaiser & Sohn Judenstrasse 28

Versicherungen Scheen-Derwahl Judenstrasse 33

Heizungsbau Pelzer Judenstrasse 41

Bau- und Möbelschreiner Reinertz Judenstrasse 50

Blumenhaus Jacquemin Judenstrasse 58

Café Zum Sportzentrum Judenstrasse 68

Lebensmittel Michaelis Judenstrasse 76

 

Neustraße

Herrenkonfektion Reip Neustrasse 1

Café Rolandseck Neustrasse

Geschenkartikel + Möbel Thess Neustrasse 3

Eisenwaren Emonds Neustrasse 5

Restaurant Bukall-Fieber Neustrasse 6

Bureau Technique Wintgens Neustrasse 7-9

Café Le Saphir Neustrasse 8

Wäscherei Huart Neustrasse 22

Fahrschule Förster Neustrasse 24

Nordisches Kunsthandwerk A.G. Neustrasse 32

Café Chez Albert Neustrasse 38

Strickmoden Goertz-Rouland Neustrasse 45

Gemeindekredit von Belgien Neustrasse 49

Antiquitäten Pelzer Neustrasse 54

Dachdecker Palm Neustrasse 57

Photo Franken Neustrasse 61

Schlosserei Vise Neustrasse 62

Café Stadtschenke Neustrasse 63

Damenfrisiersalon Pauly Neustrasse 65

Anstreicherbetrieb und Fassadenreinigung Weinand Neustrasse 66

Bäckerei Pauquet Neustrasse 69

Schuhe Fischer Neustrasse 71

Kaufhaus Choc Discount Neustrasse 79

Filter-Service SPRL – H. Von Schwartzenberg-Visé Neustrasse 83

Jünglingshaus Neustrasse 86

Auto-Ersatzteile Ernotte & Fils Neustrasse 89

Private Sparkasse BAG Neustrasse 92

Antiquitäten De Spa Neustrasse 93

Buchhandlung Herpens-Reuter Neustrasse 96

Steuerberater Heuschen Neustrasse 98

Technischer Industriebedarf Brauer Neustrasse 100

Herrenfrisiersalon Kever Neustrasse 104

Innendekoration und Möbel Rom Neustrasse 113

Restaurant Chez Freddy Neustrasse 127

Café Schützenhof Neustrasse 129

 

Oeberg

Bau- und Möbelschreiner Nols Oeberg 2

 

Olengraben

Obst und Gemüse + Zeitschriften Willems Olengraben 1

Damenfrisiersalon Wimmer-Hans Olengraben 9

Schneidermeister Kaldenbach Olengraben 13

Bäckerei Hermann Olengraben 21

 

Rotenberg

Versicherungen Frank Rotenberg 16

Wäscherei Schneeweiss Gebr. Mockel Rotenberg 16A (Loten)

Elektriker Thomas Rotenberg 48

Bau- und Möbelschreiner Kniebs Rotenberg 50-54

Café Kurten Rotenberg 60