16. Bergstraße

Unsere Vorfahren gaben schon in frühester Zeit der Erhebung , die den ursprünglichen Ortskern (die Oberstadt) vom Ortsgebiet „unter der Haas“ (die Unterstadt) trennte die einfache Bezeichnung „der BERG“. Sie benannten die Ortslage an seinem Fuße „a gene Berrech“ (Am Berg), den höher gelegenen Teil „op gene Berrech“ (auf dem Berg). Die Bergstraße war der alte Verbindungsweg zwischen den beiden Vierteln. Diese Vierteleinteilung ist älter als die Pfarraufteilung, denn eine unterstädter St. Josefspfarre gibt es erst seit 1872. Die Einteilung in Lathöfe, als Eupen vom Herzog von Limburg abhing, ist bis heute spürbar. Der Stadtbezirk Eupen war in drei Lathöfe (St. Marien, Frambach und Stockem-Eupen) eingeteilt. Am Ort „a gen Loote“, dem alten Bauernhof mitten in der Bergstraße, stießen die drei Lathöfe zusammen. Der obere westliche Teil der Bergstraße bis „a gen Loote“ gehörte zum Lathof St. Marien (der große Teile der heutigen Unterstadt umfasste), der obere östliche Teil der Bergstraße gehörte zum Frambacher Lathof, der sich von Judenstraße und Kehrweg über Kaperberg, Voulfeld und Nispert bis hin zum Wirth, Heidberg und Heggen und der gesamte untere Teil „a gene Berrech“ (Am Berg) gehörte zu beiden Seiten zum Stockem-Eupener Lathof.

Mittelst Ordonnanz vom 10. Oktober 1734 wird den Einwohnern von Eupen das ausgedehnteste Wahlrecht in Bezug auf ihre Neunmänner und Bürgermeister bewilligt. Das Reglement enthält 14 Artikel und es werden in demselben die Einwohner der Orte „die Haas“ und „der Berg“ genannt.

Dass der Berg ein wichtiger Ort im städtischen Leben war geht auch aus folgender Mitteilung hervor : „Unter Trommelschlag wurde am 21. November 1767 auf dem Markt, im Wirth und auf dem Berg bekannt gemacht und an der Pfarrkirche, Berg- und Wirthkapelle angeheftet eine Verordnung über den Verkauf von Backwaaren, - witten broeden ende vontzen (Wecken) – Gebrauch von kölner Gewicht und die Schwere der verschiedenen Brodsorten und Wecken, sowie die Aufstellung eines Tarifs betreffend.“

 

Gegenüber von „a gen Loote“ verlief das Schiere Gätzke, ein einstiger Fußweg von den Ibern zur Bergstraße. 1973 wurde die Gasse ausgebaut und Habsburgerweg benannt. Der volkstümliche Name stammt von der Hebamme Schieren, die dort wohnte.

 

Fänke (Fincke) Ganck

Seitenweg an der Bergstraße, an dem die Häuser 92 bis 100 quer zur Straße stehen. Vor der Tieferlegung der Bergstraße im Jahr 1846 führte dieses, nach einer Familie Fincken benannte Gässchen, zu den den Fußpfaden über die Ibernwiesen.


86. Bauten der Gründerzeit in Eupen – Die Bergstraße

Die Epoche Gründerzeit, als Folge der industriellen Entwicklung, die Anfang des 19. Jahrhunderts begonnen hatte, umfasst, grob gesehen, die Zeitspanne zwischen 1835 und 1918, wobei allerdings die sogenannte „Hoch-Gründerzeit“ zwischen 1860 und 1890 anzusetzen ist.

Die Straßen Eupens boten zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein völlig anderes Bild als heute. Sie waren, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht befestigt und deshalb bei feuchtem Wetter in fürchterlichem Zustand. Bürgersteige gab es nicht. Mit Ausnahme der großen Kaufmannshäuser, waren die Wohnbauten meist unansehnlich. Sie bestanden in der Regel aus Fachwerk und wiesen mit der Giebelseite zur Straße. Dazu kam, dass die Häuser nicht in gerader Linie ausgerichtet waren, so dass die Straßen bald breiter, bald enger wurden.

Die Bergstraße wurde in ihrem unteren Teil vom Bach durchquert, der von Auf‘m Bach herkommend unter dem Haus der Apotheke durchfließt. Als er noch offen lag, befand sich vor der Apotheke eine Brücke. Dahinter teilten sich bereits die Wege, die auf den Berg hinaufführten, so wie wir sie heute noch kennen. Der Weg auf den Berg hinauf war sehr steil und schwierig. Deshalb begann man bereits im Jahr 1829 mit der Tieferlegung. Davon zeugen noch heute die schweren Stützmauern beiderseitig der Straße. Oberhalb der Iberngasse (heute Habsburgerweg) entstanden in den Jahren nach 1860 ebenfalls die typischen Wohnhäuser des Zeitgeschmacks (heute Nr. 110-132), während die vorhandenen Häuser zum Teil mit neuen Fassaden versehen wurden. Schließlich wurde an dem großen Platz vor der Bergkapelle nach dem Abbruch kleinerer Häuser die Häuserzeile errichtet, die heute die Nummern 46-56 umfasst.

Ein Geschäftsreisender kam vom Bahnhof durch die Gospertstraße und suchte die Bergstraße. Er fragte, weil er ortsunkundig war, eine vorübergehende Frau und erhielt von ihr folgende Antwort: »Dann gehe Sie nur allegeschter da eraf und unten um Emmermanns Kant erum, dann sind sie an der Berg«. Leider war dem Fremden »Emmermanns Kant« ebenso unbekannt wie »der Berg« …


91. Finckergasse

Seitenweg an der Bergstraße, an dem die Häuser 92 bis 100 quer zur Straße stehen. Bevor die obere Bergstraße im Jahre 1846 tiefer gelegt wurde, gab es dort, wo noch heute in der Volkssprache der Zugang zu den Häusern „Finckeganck“, „Finckegänggelche“ genannt wird, ein kleines Gässchen zu den Fußpfaden über die Ibernwiesen.

Hier besaß schon im 17. Jahrhundert die Familie Cruysch (Kruysch, Kreusch) ihren Haus- und Grundbesitz. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts erweiterte Johann Wilhelm Fincken, Ehemann von Cath. Isabella Cruysch, den Hausbesitz. Ihm gehörten auch die Wiesen „Große und Kleine Ibern“. Dieser Tatsache ist die volkssprachliche Benennung „Finckengasse“, in den Niederschriften „Finckergatze“, für das Gässchen zuzuschreiben.

Im Adressbuch von 1829 finden wir den Eintrag „Weinands Heinrich, Tuch-, Casimir-, Circassienne- und Drap Zephyrfabrik, aufm Berg Finke Gank“.

Als das Gässchen nach 1846 infolge seiner nunmehr ungünstigen Lage seine Bedeutung verlor und nur noch dem Zugang zu den Häusern diente, wurde es zum „Finckeganck“. Diese örtliche Bezeichnung erhielt sich bis heute in der Volkssprache, obwohl es die Familie Fincken bereits 1770 nach Aachen verzog, 1786 ihren ganzen Besitz „aen den Berg“ verkaufte, und der Familienname seitdem in Eupen ausgestorben ist.